Arminius
angenehmen Seite, es war frühlingshaft warm. Zuweilen schlief er im Sattel, zuweilen ruhte er zwei, drei Stunden an einer Station der kaiserlichen Post oder unter einem Baum aus, wenn die Vernunft gebot, dem Pferd ein wenig Erholung zu gönnen, um es nicht zuschanden zu reiten.
In der Nacht hatte er das Militärlager in Nordpannonien passiert, von dem sie noch vor wenigen Tagen hochgemut aufgebrochen waren. Wer hätte damals die jähe Wendung vorausahnen können? Er ließ die alte Militärstraße, die über die Alpen nach Emona führte, links liegen und schlug den geraden Weg nach Süden ein, scharf vorbei an den Julischen Alpen.
Er hatte nicht die Tage und Nächte gezählt, als er endlich die Umrisse von Siscia in der Ferne erblickte. Ungewöhnlich weit von der Siedlung entfernt war er bereits auf römische Späher getroffen. Die Legionäre, aber auch viele Sklaven der römischen Bevölkerung, schufteten in größter Eile, um Befestigungen zu errichten. Die Soldaten hatten ihre Brustpanzer und Waffen unmittelbar neben sich griffbreit abgelegt.
Sogar körperlich spürte Arminius die Nervosität, die in der Luft lag. Die Bewohner und Bewacher der Stadt rechneten mit einem unmittelbar bevorstehenden Angriff. Die Siedlungen, aber auch das Legionslager barsten vor Zivilisten. Es waren Flüchtlinge, die der Schrecken des Aufstands unter den Schutz der Legionsadler getrieben hatte. Noch vor wenigen Tagen, sinnierte Arminius, hatten sie in prächtigen Villen gelebt, und nun schätzen sie sich glücklich, wenn sie in einer Hütte oder einem Zelt Aufnahme fanden.
Schon von Weitem erkannte er Tiberius inmitten seiner Legaten, der sich persönlich ein Bild vom Stand der Arbeiten und der Verfassung der Flüchtlinge machen wollte. Ein Prätorianer trat Arminius entgegen, einer von denen, die Ordnung und Disziplin im Lager gewährleisten und wenn nötig den Imperator beschützen sollten: »Halt, wer bist du?«
Arminius sprang vom Pferd. »Julius Caesar Arminius mit wichtigen Nachrichten für den Imperator!« Er drückte dem Prätorianer die Zügel in die Hand und begab sich zu Tiberius.
»Woher kommt ihr?«, fragte der Feldherr gerade einen Vater, dessen Frau und seine sieben Kinder erschöpft im Staub saßen. Aus ihren Augen sprach die Angst.
»Aus Sirmium, Imperator. Wir haben es einfach nicht für möglich gehalten, dass es den Breukern gelingen würde, die Provinzhauptstadt zu erobern. Sie waren doch nur ein Haufen Barbaren.« Der Mann schüttelte fassungslos den Kopf und fuhr leise fort: »Ich war in den Thermen, als mich die Kunde erreichte, dass die Legionäre der kleinen Garnison geflohen waren und die Stadt schutzlos den Breukern überlassen hatten. Ich lief sofort los und musste mich immer wieder vor den Barbaren verstecken. Meine Hoffnung schwand, sie alle …«, er deutete auf seine Familie, »… lebend wiederzusehen. Aus einem Versteck beobachtete ich, wie der Präfekt mit seiner Familie, den Großeltern, seiner Frau Gaia, seinem kleinen Sohn und den beiden Töchtern aus dem Haus getrieben wurde. Der Anführer der Barbaren …«
»Bato?«, fragte Tiberius.
Die Stimme des Mannes begann zu zittern. »Ja, Bato. Du kannst ihn leicht erkennen an seiner sonnenverbrannten Glatze und der langen schwarzen Haarlocke, die ihm aus der Mitte seiner Platte auf die Schulter fällt. Bato ließ die Familie des Stadtvorstehers auf die Mitte des Vorplatzes treiben. Dann ritt er mit fünf seiner Getreuen immer wieder über den Platz. Bei jeder Runde hieben sie mit den Schwertern auf die Kinder, Frauen und Männer ein. Blut färbte das Pflaster rot, und die Schreie der armen Kreaturen drangen mir mitten ins Hirn. Ich höre sie immer noch. Sie wussten nicht, warum ihnen die fremden Männer die Arme abhackten und die Schädel zertrümmerten. Weißt du das, Imperator? Ich weiß es nämlich auch nicht. Bald schon blitzten ihre Schwerter nicht mehr in der Sonne, weil die Klingen voller Blut waren. Aber sie hörten nicht auf …« Der Mann weinte, ohne dass Tränen aus seinen Augen flossen. Mit beiden Händen hielt er sich die Ohren zu und drehte und krümmte sich dabei vor Schmerzen. Selbst die Sonne schien nur noch auf ihn zu achten, denn er drehte sich in ihrem Lichtkegel.
Arminius wollte schon zu ihm laufen, um ihn aufzufangen, doch da begriff er, dass der Mann nicht taumelte, sondern den armen, blutigen Menschentod tanzte.
»Wer nicht vom Schwert zerhauen worden war, den zertrampelten die Hufe ihrer Pferde. Den Präfekten
Weitere Kostenlose Bücher