Arminius
ihn, auf seinen Sohn, übergegangen waren wie der Ehrenname Germanicus. Voller Liebe und Sehnsucht rief er sich ins Gedächtnis, dass seine Eltern eine glückliche Ehe geführt hatten. Gleichzeitig kam ihm die katastrophale Ehe seines Onkels und nunmehr Adoptivvaters Tiberius mit Julia in den Sinn, die längst geschieden worden war.
Germanicus spürte, dass mit Elda eine Ehe, wie sie seine Eltern geführt hatten, möglich wäre. Natürlich konnte er nicht darauf hoffen, als Spross des ersten Hauses des Reiches eine Germanin heiraten zu dürfen. Aber er konnte es nicht leugnen – er sehnte sich auch körperlich nach ihr. Wenn er schon das eine nicht haben dufte, musste ihm das andere ja nicht unbedingt verwehrt bleiben. Und was war mit Arminius, seinem Freund? Ach der, der trug nur ein Bild aus Kindertagen in seiner Brust, das nichts mehr mit der erwachsenen Frau zu tun hatte.
Man würde sehen, wie die neue Provinz sich entwickelte. Unter politischen Aspekten konnte es sogar sinnvoll sein, dass Germanicus eine Germanin ehelichte. Und es waren allein politische Gründe, die für Augustus bei einer Ehe zählten. Je länger er darüber nachdachte, desto mehr Hoffnung schöpfte Germanicus, Elda eines Tages vielleicht doch noch zu gewinnen. Er musste nur klug genug vorgehen. Wie von ungefähr kam ihm ein Vers seines älteren Freundes Ovid in den Sinn: »Jeder, der liebt, ist Soldat, und sein eigenes Lager hat Amor.« Ein Soldat war Germanicus und ein Liebender zugleich, also durfte ihm Amor das Lager nicht vorenthalten.
Als er nach einer knappen Woche endlich die Kuppeln und Türme Roms erblickte, wurde es ihm warm ums Herz, und er spürte wieder einmal, wie sehr er die germanischen Wälder hasste. Seine wahre Sehnsucht aber galt dem Osten, dort, wo Dichtung und Philosophie und Wissenschaft ein lebendiges Dasein führten. Selbst sein geliebtes Rom war im Vergleich dazu geistige Provinz. Zwar gab es in seinem Zuhause fähige Juristen, gerissene Politiker, begnadete Schlachtenlenker, aber nicht einen Philosophen, der es mit Platon aufnehmen konnte. Germanicus liebte seinen Vergil, seinen Horaz und vor allem die kunstvollen Verse Ovids – aber was waren sie alle im Vergleich zu Hesiod oder Homer? Von dem großen Wissenschaftler Euklid nicht zu reden. Wo auf der ganzen Welt fände sich eine Bibliothek wie die von Alexandria, ganz zu schweigen von den undurchdringlichen Mysterien des Thot und der Isis! Wie sehr hatte er damals Arminius beneidet, dass er Gaius Caesar in den Osten begleiten durfte, während er selbst nach Illyrien und nach Germanien geschickt worden war.
Eines Tages aber würde er nach Ephesos reisen, nach Antiochia, nach Memphis und vor allem nach Alexandria. Eines Tages. Er war ja noch jung. Wie hatte doch Ovid gedichtet: »Nur die Jugend, welche zum Krieg taugt, passt auch zur Liebe.« An Jugend mangelte es ihm nicht, auch nicht an Erfahrungen im Krieg und in der Liebe!
Als er auf dem Weg zum Palatin über das Forum kam, fand er die Kurie offen. Er pfiff einen der herumlümmelnden Botenjungen zu sich, drückte ihm die Zügel seines Pferdes in die Hand und ermahnte ihn, gut darauf aufzupassen. Es würde ihm reichlich entgolten werden. Dann lief Germanicus die Treppe hinauf und betrat die hohe Versammlungshalle. Die Amtsdiener, die am Eingang postiert waren, erkannten ihn und ließen ihn, ohne nachzufragen, passieren.
Drinnen lauschten die Senatoren mit gewichtigen Mienen der Rede des Princeps. Was für eine elende Bande eitler, von blanker Gier getriebener Staatsschauspieler, dachte Germanicus mit einem Gefühl der Verachtung, das er sorgsam hinter einer unbewegten Miene verbarg. Der Kaiser sprach von der Notwendigkeit von Steuern und Opfern angesichts des illyrischen Aufstandes und des Terrors der Breuker.
»Bedenkt, hochverehrte Senatoren, dass unsere Stadt, die uns alles ist, Anfang und Ende, Mutter und Vater, Blut und Atem, Sehnen und Muskeln, der tödlichsten Bedrohung seit ihrem Bestehen ausgesetzt ist. In zehn Tagen können Batos Horden mühelos vor unseren Mauern stehen, sie niederreißen, die Männer töten, die Frauen schänden, die Tempel entweihen und die Stadt dem Erdboden gleichmachen, wenn unsere Legionen sie nicht vernichten. Eile ist also geboten! Von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde gar wächst Batos Heer. Mit jedem Moment, den wir zögernd verstreichen lassen, spielen wir leichtfertig dem Barbaren in die Hände.«
Augustus hatte kaum geendet, da erhob sich eilfertig der Senator
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