Arno-Linder 1: Papierkrieg
Blödsinn anstellen.«
»Erstens wird er nie mehr mit so einer großen Sache zu tun bekommen, und der Kleinkram, mit dem er sich sonst abgibt, überfordert ihn nicht so dramatisch. Zweitens, mein junger Freund, wenn Sie so alt geworden sind wie ich, werden Sie erkennen, dass jede Lösung immer nur eine kurzfristige ist.«
»Wenn es aber nun so ist, dass Meyerhöffer den Papyrus schon in der Hand hält?«
»Dann werden Sie dafür sorgen müssen, dass er abhanden kommt.«
»Ich war schon bei ihm zu Hause. Seine Bürotür ist bombensicher, er hat dort wahrscheinlich auch eine Alarmanlage, ich wüsste nicht, wie ich einen Einbruch bewerkstelligen sollte.«
»Seien Sie kreativ.«
»Das hat nur mit Handwerk zu tun, Kreativität ist da nicht gefragt.«
»Dann seien Sie kreativ und finden Sie einen tüchtigen Handwerker. Solche soll es doch noch geben, oder?«
»Ich werde mein Möglichstes tun. Aber versprechen kann ich nichts.«
»Das wollen wir doch hoffen. Ich sehe, Sie sind fertig mit Ihrem Grog. Wie schaut’s mit den Füßen aus? Irische Zustände?«
Ich senkte den Blick, unter dem Tisch war es dunkel. Schwer auszumachen. »Ich denke schon.«
»Sehr gut, dann werden Sie jetzt nach Hause fahren und sich ins Bett legen. Morgen sind Sie wieder gesund.«
Ich stand ein wenig unbeholfen auf.
»Ach ja, ehe ich es vergesse, danke dafür, was Sie für meine Enkeltochter getan haben. Es war gewissenlos von Meyerhöffer, dass er sie benutzt hat, um an den Russen heranzukommen.« Mit diesen Worten begleitete er mich zur Tür. Die Tür fiel ins Schloss und ein leises Echo huschte über die Wände des Stiegenhauses. Ich war mir allerdings nicht ganz sicher, ob die letzten Worte Wirklichkeit waren oder eine Sinnestäuschung. Das Blut rauschte in meinen Ohren wie ein Orkan.
Ich stand allein im Dunkeln und es dauerte ein wenig, bis ich den Lichtschalter gefunden hatte. Eine Sekunde später fuhr ich hinunter.
X
Das nächtliche Wien huschte an mir vorüber, ohne dass ich allzu viel Notiz davon genommen hätte. Wie ferngesteuert fand ich den Weg nach Hause. Als ich vor meiner Wohnungstür stand und den Schlüssel ins Schloss brachte, fiel mir wieder ein, dass ich nicht allein war. Als ich Mantel und Schal aufgehängt und die Schuhe unter den Heizkörper gestellt hatte, in der vergeblichen Hoffnung, dass sie morgen wieder trocken wären, ging ich zur Couch. Müdigkeit, Krankheit und Whisky schränkten mein Blickfeld dermaßen ein, dass ich das Mädchen, das auf der Couch lag, erst wahrnahm, nachdem ich mich hingesetzt hatte. Sie sagte irgendetwas zu mir, durch das Rauschen in meinen Ohren drang es aber nicht bis zu mir durch. Ich griff nach meiner Kanne und trank ein paar Schlucke direkt aus dem Hals. Dann schnaufte ich tief durch und es ging wieder besser. Die schwarzen geometrischen Muster, die meinen Blick trübten, indem sie ungefragt durch das Bild huschten, verschwanden.
»Bist derrisch?«
Wie schön war es doch gewesen, nichts zu hören. Außerdem lief Musik, ich brauchte ein paar Augenblicke, um den Sound zu identifizieren. Es waren The Cure mit ihrem Album ›In a forrest‹. So viel Geschmack hätte ich ihr gar nicht zugetraut.
»Herst mi net?«
Sie wurde ungeduldig. Außerdem sprach sie undeutlich und schleppend, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen war, dass sie eine Dose Bier in der Hand hielt, eine leere vor ihr auf dem Tisch stand und der Aschenbecher zwei Joints mehr enthielt als zu dem Zeitpunkt, als ich gegangen war. Ihre Lider mit den langen schwarzen Wimpern waren schwer wie Blei. Wenn sie blinzelte, so brauchte es einige Zeit, bis sie wieder etwas sehen konnte.
»Sicher hör ich dich, aber könnte es nicht sein, dass ich einfach nicht antworten will?«
»Waas i net. Willst net a Stickl Pizza?«
Neben dem Bier waren zwei Kartons, einer leer, der andere halbvoll. Ich griff mir ein Stück und biss hinein. Obwohl ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, war ich gar nicht so hungrig. Die Pizza war kalt, ölig und man schmeckte es, dass sie direkt neben einem Döner das Licht der Welt erblickt hatte. Nachdem ich das Stück hinuntergewürgt hatte, beschloss ich, dass Zeit für ein wenig Konversation war.
»Und, dicht?«
»Hä?«
Sie setzte sich auf, wobei sich jede Menge nacktes Fleisch zeigte.
»Ob du high bist, will ich wissen. Ist ein super Gras, nicht?«
»Doch, schon. Woher?«
»Tessin.«
»Woissndes?«
»Schweiz.«
»Hätt i den Fondueschmelzern gar net
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