Arrivals: Fürchte die Unsterblichkeit (German Edition)
lächelnd scheuchte Kitty ihn zur Tür. »Du wusstest doch, dass ich klarkommen würde.«
Francis folgte ihr zum Ausgang. »Ich wusste auch, dass ich es Jack sagen musste, als ich ihn gesehen habe, damit er dir nachgehen konnte.«
»Du bist ein guter Freund.« Kitty öffnete die Zeltklappe. »Und jetzt geh und mach dich dünn, bevor Edgar von seiner Schicht zurückkommt. Ich habe mit ihm noch nicht über mein kleines Abenteuer geredet, aber er weiß sicher Bescheid.«
»Du bist mir was schuldig.« Francis duckte sich und verließ das Zelt, hielt dann aber inne. »Wenn er wütend ist …«
»Du weißt, dass ich mit ihm reden werde, und ja, ich bin dir was schuldig.« Sie schenkte ihm ein zärtliches Lächeln. Wenn sie Kinder hätte haben können, hätte sie sich eins gewünscht, das Francis ähnlich war. Er war neugierig, aber er war freundlich und beständig, vertrauenswürdig wie nur wenige Menschen, und er weckte in ihr den Wunsch, ihn zu beschützen.
Ein Geräusch von drinnen zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. »Geh nur«, meinte Kitty zu Francis. »Ich muss nach Chloe sehen.«
Der Übergang war so erschöpfend, dass Chloe nicht richtig wach war. Höchstwahrscheinlich würde sie sich nur an sehr wenig aus ihren ersten paar Tagen erinnern; der Körper hatte aber trotzdem Bedürfnisse, obwohl ihr Verstand vom Fieber umwölkt war. Kitty gab der benommenen Chloe eine Tasse Wasser, in das sie etwas von Francis’ Vitaminmischung gerührt hatte. Dann half sie ihr auf den Abort, wusch ihr den Schweiß vom Gesicht und steckte sie wieder in das Bett, das zuletzt Mary gehört hatte. Das alles war nicht gerade Routine, aber nach ein paar Dutzend Leuten war es vorhersehbar.
Kitty war keine Heuchlerin, daher würde sie Chloe ihre Vergangenheit als Mörderin nicht übel nehmen. Jeder der Arrivals hatte einen Mord begangen. Das war das Einzige, was sie alle gemeinsam hatten. Daher wussten sie, dass Chloe gemordet hatte, ganz gleich, ob sie erfuhren, warum oder wen Chloe getötet hatte. Wenn sie nicht jemandem das Leben genommen hätte, wäre sie nicht ins Wasteland gekommen. Kitty selbst war in Kalifornien gezwungen gewesen, einen Kunden zu töten, der etwas zu grob geworden war, und bei einer anderen Gelegenheit einen Mann, der wegen eines Streits beim Kartenspiel die Waffe gegen sie gezogen hatte. Manche Leute musste man einfach umbringen.
Sobald die Neue im Bett der toten Frau wieder tief und fest schlief, musste Kitty eine unangenehme Entscheidung treffen. Entweder sie redete mit Edgar, oder sie war feige und drückte sich noch ein wenig länger. Keine Option war besonders ansprechend. Sie hielt sich nicht für schwach, aber Edgar Sachen zu sagen, die ihm nicht gefallen würden, war nie lustig. Ihn zu verletzen gehörte zu den wenigen Dingen, die ihr ein schlechtes Gewissen bereiteten.
Kitty schob das Unvermeidliche hinaus, indem sie die Kleider, die sie zur Verfügung hatte, sortierte, um ein paar Teile zu finden, unter denen Chloe dann am nächsten Tag wählen konnte. Sie untersuchte den Rock, den sie vorhin ruiniert hatte. Eine Weile verbrachte sie damit, sich so gut zu waschen, wie es in ihrem Zelt mit Schüssel und Lappen möglich war. Schließlich schnürte sie sich in eines ihrer mit Knochen verstärkten Korsetts und zog eine Bluse und eine Hose an. Sie konnte sich nicht vorstellen, eine so eng sitzende anzuziehen, wie Chloe sie getragen hatte, aber sie gestand sich ein, dass Hosen ihr nicht vollkommen zuwider waren. Sie fühlte sich darin viel wohler als damals nach ihrer Ankunft, doch obwohl sie schon seit Jahren Hosen trug, kam sie sich damit immer noch halb nackt vor. Sie hatte keine Hose, die kurz genug für Chloe gewesen wäre, aber sie konnte eine von Mary kürzen. Das war einfacher, als Hosen zu verlängern. Kitty schloss die Augen, um die plötzlich aufsteigende Erinnerung daran abzuwehren, wie sie genau das für Mary getan hatte, als sie neu gekommen war. Wie sie in den Jahren vor Mary an einem Bett nach dem anderen gesessen und sich darauf vorbereitet hatte, jedem Neuankömmling zu helfen.
Kitty zwang sich, Chloe anzusehen. Diese Frauen waren alle tot. Chloe nicht.
»Sentimentale Gedanken helfen nie«, tadelte Kitty sich selbst. Sie trat an einen ihrer Koffer und holte ein paar Gegenstände hervor: dickes, von den Einheimischen hergestelltes Papier und eine Reihe Bleistifte. Dann lenkte sie sich ab, indem sie ein Porträt von Chloe zeichnete. Sie hatte sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt
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