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"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

"Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt"

Titel: "Arschtritt" - Senzel, H: "Arschtritt" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Senzel
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York, auf der noch das World Trade Center drauf ist.
    Tag 22 – Holger Senzel, Gastgeber
    Der Wein funkelt im Kerzenlicht. Tiefrot, fast schwarz. Ein sehr guter Bordeaux, mein Lieblingswein, voll, rund und so weich, dass er die Kehle samtig streichelt. Leicht bedauernd nippe ich an meinem Mineralwasser, aber dann beschäftigt es mich auch nicht weiter. Meine Premiere als Gastgeber. Ich bin inzwischen ein recht versierter Koch und habe überlegt, mit einem Siebeck-Menü zu glänzen – mich dann aber doch für das Hühnercurry entschieden. Das soll ein netter Abend werden und keine Inszenierung. Und es gibt in meiner Erinnerung kaum Schlimmeres als Einladungen ambitionierter Hobbyköche, die unbedingt ein kulinarisches Großereignis präsentieren wollen, stundenlang fluchend in der Küche werkeln und ab und zu die verschwitzte Stirn aus der Tür recken – während die Gäste im Wohnzimmer sich mit knurrendem Magen langsam, aber sicher die Kante geben … und dann kommt der erste Gang auf den Tisch – begleitet von allerlei gestressten Entschuldigungen, dass alles eigentlich ganz anders hätte werden sollen – und du musst alles in den höchsten Tönen loben.
    Das Curry köchelt sanft vor sich hin und verbreitet köstlichen Wohlgeruch, der mit viel Lob bedacht wird.
Ich entspanne mich – der Abend lässt sich gut an. Die Runde ist journalistenlastig – man erklärt sich gegenseitig Großbritannien. Karl ist der Einzige am Tisch, der wirklich Ahnung vom richtigen Leben in London hat. Weil er bei einer britischen Firma arbeitet und keine fetten Auslands- und Mietzuschüsse bekommt. Er ist auch der Einzige, der eine Familie ernähren muss – und das ist selbst mit einem guten Gehalt in der zweitteuersten Stadt der Welt nicht einfach. Das Curry ist – wie nicht anders zu erwarten – ein großer Erfolg und ich schwärme ein wenig von den Kochbüchern Jamie Olivers (inzwischen habe ich drei) und wie einfach er es Kochneulingen wie mir macht, mit Spaß gutes Essen zuzubereiten. Und dann reden wir über seine Aktion für gesundes Schulessen – Oliver hat gemeinsam mit Tony Blair versucht, die Schulkantinen zu revolutionieren, und dabei erleben müssen, wie die Mütter ihren Kindern Hamburger, Hotdogs und Fritten über den Schulzaun reichten. Als »Arschlöcher« hat er sie im Fernsehen beschimpft, und wir lachen herzlich über den Widerstand der Briten gegen gesundes Essen. Meiner Ansicht nach ist die britische Küche ein Grund dafür, dass England Seemacht war, die Franzosen jedoch nie. Die hatten keinen Grund wegzusegeln. Auch die Italiener nicht. Zumal man Geschmacksnerven aus Eisen und Mägen aus Beton brauchte, um die Schiffskost von damals zu verdauen. Die Briten haben beides. Überhaupt sind sie hart im Nehmen, auch Kälte scheinen sie nicht zu spüren. Die Frauen laufen im Januar im Minirock und bauchfrei durch die Gegend und beim ersten Sonnenstrahl im Februar sitzen sie im Hemd auf der Straße und trinken Bier.

    Es ist ein schöner Abend mit viel Lachen und einer Menge Albernheiten, sehr gelöst. Um kurz nach halb zwölf erheben sich die Gäste wie ein Mann zum allgemeinen Aufbruch und herzlichen Abschied, weil in dieser Weltmetropole spätestens um Mitternacht die letzte U-Bahn fährt. Ein anderes Thema – auch immer wieder erheiternd.
    Ich räume den Tisch ab und stelle das Geschirr in die Spülmaschine. Das war ja nun wirklich völlig stressfrei – wenn ich daran denke, wie viel Kopfzerrechen mir der Abend im Vorfeld bereitet hat. Wie nervös ich war. Ich habe immer davon geträumt, ein gastfreundliches Haus zu pflegen – es mir aber nie zugetraut. Lieber traf man sich bei dem neuen Sarden oder Thailänder oder in einem Laden, bei dem es ein »Süppchen von irgendwas« und über »Kreuz gelöteten Quark an irgendwas« gab.
    Tag 25 – Zurück aus Hamburg
    Es stinkt. Wobei Gestank ein zu starkes Wort ist für dieses Potpourri Dutzender, einzeln eher matter Aromen – eingekeilt zwischen anderen übermüdeten, gleichgültigen Gestalten in der U-Bahn vom Flughafen Heathrow in die Innenstadt. Nasse Mäntel, süßliche, frische, zitronige und würzige Parfums und Aftershaves, alter Schweiß, Knoblauch, Zwiebeln, Mottenpulver, gebratener Speck, Alkoholfahnen, ein heimlicher Furz. Ich bin direkt in Türnähe eingekeilt, wo die Wagen so niedrig sind, dass man nicht aufrecht stehen kann. Mein gebeugter Rücken ist schmerzhaft in die Dachrundung gequetscht. Ich habe bereits ein paar unbequeme

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