Arsen und Apfelwein
befand sich auf dem Abstieg zum Zoo. Der Boden war glitschig und Elfriede Niederegger blieb stehen. »Ich weiß nicht«, meinte sie zögernd. »Wollen wir wirklich da runter? Es ist so glatt, was ist, wenn einer von uns ausrutscht? Ich bin froh, dass du deine Hüftoperation so gut überstanden hast.«
Ihr Mann blickte sich um. »Du hast recht. Sollen wir uns den Zoo heute sparen? Im Winter sieht man sowieso kaum ein Tier.«
»Dir geht’s sowieso nur um die Erdmännchen«, lächelte sie ihn an.
»Erwischt«, grinste er. »Und die sind vernünftigerweise im Warmen. Soll’n wir schauen, wo der Weg dort drüben hinführt? Der ist nicht so matschig.«
»Bestimmt nur bis zum Ende des Parkplatzes. Probieren wir’s.«
Sie drehten um und liefen ein kurzes Stück wieder den Hügel hinauf. Oben wandten sie sich nach rechts und folgten einem kleinen Weg, der an dem lang gezogenen Parkplatz entlang führte.
Nur drei Autos standen einsam unter den Bäumen, Dunst lag über allem.
»Schau, da geht ein Pfad weiter.«
Ihr Mann nickte und nahm sie beim Arm. Langsam drangen sie in den Wald ein. Es war dunkel und tropfte aus den Bäumen. Hier wuchsen vorwiegend Nadelbäume, die nur ein diffuses Licht durchließen.
Elfriede wurde es mulmig. Es war totenstill. »Ich weiß nicht. Wollen wir nicht lieber zurückgehen? Wenn uns hier etwas passiert, findet uns niemand.«
»Was soll denn passieren?« Ihr Mann schüttelte den Kopf. »Und auch noch uns beiden?«
Sie antwortete nicht. Männer. Als ob nicht täglich genug passieren würde. Langsam gingen sie noch ein paar Meter weiter.
Wolfgang ließ sie los. Verlegen blickte er sie an. »Du, geh mal ein Stück vor. Ich muss mal … du weißt schon.«
»Ich hab dir gesagt, du sollst keine zweite Tasse Tee trinken«, tadelte sie ihn. »Aber ich geh nicht vor. Ich drehe hier um. Es ist unheimlich und nass und ich will mir keine Erkältung holen.«
»Na gut, ich komm gleich nach.«
Er wartete, bis sie sich umdrehte und einige Schritte entfernt war, und trat dann vom Pfad hinunter um einen Baum herum. Etwas lag dort im Laub. Vorsichtig ging er näher und kniff die Augen zusammen. Er fingerte nach seiner Brille und setzte sie auf. Dann griff er nach einem Ast und stocherte in dem Bündel, das da auf der Erde lag. »Elfriede!«
Sein Schrei scheuchte ein paar Krähen auf, die laut krächzend aus einer Baumkrone aufflogen.
»Was ist?«, rief seine Frau erschrocken und kam hastig zurück.
»Hier liegt einer!«, rief ihr Mann. »Ein Toter!«
»Meine Güte. Komm da weg!«
Schnaufend kam er auf sie zu.
»Schnell zurück zum Auto. Wir müssen zur Polizei!«, rief sie aufgeregt.
»Aber erst muss ich p…«
»Aber doch nicht hier!«
Nachdem Wolfgang sich kurz vor dem Parkplatz erleichtert hatte, hasteten sie so schnell sie konnten zum Auto. Neben ihnen verpackte gerade eine Familie ihre zwei durchgefrorenen Kleinkinder in Kindersitze.
Atemlos blieben Niedereggers bei ihrem Auto stehen. »Haben Sie ein Handy? Bitte rufen Sie die Polizei!«
Jenny saß im Büro und langweilte sich. Die Adventszeit war traditionell die ruhigste im Jahr. Sie hatte Berichte geschrieben, alte Akten aufgearbeitet, lang versprochene Anrufe getätigt und jetzt saß sie hier und sah aus dem Fenster.
Draußen war es neblig und trüb. Tropfen rannen die Scheiben herab. Nachher würde sie sicher nass werden. Trotzdem kein Grund, einen Schirm zu benutzen. Sie hasste die Dinger. Immer hatte man eine Hand zu wenig und blieb überall hängen.
Die Tür öffnete sich und Sascha kam herein. In der Hand trug er einen überdimensionalen, klatschnassen Regenschirm. Bevor sie etwas sagen konnte, spannte Sascha ihn auf und besprühte sie mit einem feuchten Regen.
»Muss denn das sein?«, fuhr sie hoch.
»Was denn?«
»Dein Schirm!«
»Oh, ’Tschuldigung!«
Zu seinem Glück klingelte in diesem Moment das Telefon. Schnell griff er nach dem Hörer. Er hörte einen Moment zu und meinte: »Wir sind gleich da.«
Jenny richtete sich erwartungsvoll auf. »Sag mir, dass wir Arbeit bekommen.«
Sascha nickte. »Im Kronberger Wald wurde ein Toter gefunden. Abseits vom Weg und in eine Decke gewickelt.«
Jenny stand auf. »Dann nichts wie los. Wo ist Logo eigentlich?«
»Er hat sich doch heute freigenommen, um zum Zahnarzt zu gehen.«
»Stimmt ja, der Arme.«
»Immerhin muss er jetzt nicht im Regen im Wald stehen.«
»Stimmt auch wieder.«
Sie fuhren über die A 66 aus Frankfurt heraus und bogen in Höhe Höchst ab auf die
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