Arsen und Apfelwein
nestelte einen Schlüsselbund aus der Hosentasche und löste einen einzelnen Schlüssel ab. »Hier bitte.«
»Sie bekommen ihn bald wieder.«
Im Auto hielt Jenny triumphierend den Schlüssel hoch.
Sascha sah sie aufgeregt an. »Fahren wir direkt hin?«
Jenny nickte. »Es wird höchste Zeit, dass wir uns umschauen.«
Diesmal hielt Jenny sich nicht mit Klingeln auf, sondern steckte gleich den Schlüssel ins Schloss. Als die Tür sich im selben Moment öffnete, erschrak sie und wich einen Schritt zurück, wobei sie Sascha, der dicht hinter ihr stand, auf die Zehen trat. In der Tür stand ein junger, extrem schlanker Mann mit langen hellbraunen Haaren, die ihm wie ein Vorhang ins Gesicht fielen. Er starrte sie ebenso erschrocken an wie Jenny ihn. Sie fing sich als erstes. »Wer sind Sie?«
Seine Augen weiteten sich. »Sollte ich das nicht fragen? Ich bin hier zuhause.«
Jenny stellte sich vor und erklärte, wieso sie im Besitz eines Schlüssels war. »Können wir kurz reinkommen? Wir hätten einige Fragen.«
Er trat einen Schritt zurück und nickte. Unruhig sah er über seine Schulter. Jenny folgte dem Blick. »Darf ich fragen, wer Sie sind? Leiten Sie die Verbindung?«, erkundigte sie sich freundlich.
Er verneinte. »Michael Strom, unser Vorsitzender, ist heute nicht da. Ich bin Tomas Böneke.«
Jenny sah sich interessiert um. Sie standen in einer herrschaftlichen Eingangshalle. Mehrere Türen führten in Nebenräume und eine breite Treppe zog sich zu einer Galerie im ersten Stock.
»Können wir uns etwas umsehen? Ich war noch nie in einem Verbindungshaus. Sind Sie alleine hier?«
Er zögerte. »Natürlich. Ich denke, das geht in Ordnung. Ich meine, ich führe Sie gerne herum. Außer mir ist niemand hier, es sind bald Ferien.«
Er ging ihnen voran zu einer Seitentür und öffnete sie. »Speisesaal und gleich daneben die Küche.«
Jenny streckte den Kopf hindurch. Ein langer Eichentisch bot Platz für an die zwanzig Stühle. Ein offener Durchgang führte in eine riesige Küche.
»Auf der anderen Seite der Halle befinden sich die Bibliothek und mehrere kleine Büros.«
»Und oben?«, fragte sie und blickte zur Galerie hinauf.
»Die Zimmer und Bäder. Kommen Sie.«
Sie folgten ihm die Treppe hinauf, wo er sich nach links wandte und die erste Tür öffnete. »Das Zimmer steht zurzeit leer.« Jenny trat ein und sah sich um. Der Raum ähnelte einem Hotelzimmer, allerdings dem eines Fünfsterne-Hotels. Die Ausstattung war vom Feinsten. Dicke Teppiche lagen auf dem Boden und die Möbel sahen mehr nach Designer als nach Möbelhaus aus. Die Tür zum Bad stand offen. Jenny streckte den Kopf hinein. Auch hier edle Armaturen und eine Regendusche, die so groß schien wie Jennys komplettes Bad. Sie wandte sich zu Michael Strom. »Nobel. Wie viele Studenten leben hier?«
Er zählte an den Fingern ab. »Momentan sieben. Das wechselt natürlich ständig.«
»Und wer finanziert diesen Luxus?«
»Die alten Herren. Die meisten sind recht wohlhabend.«
»Das sieht man. Wie wird man in die Verbindung aufgenommen?«
»Im Allgemeinen durch Empfehlung eines Mitglieds. Familienmitglieder der alten Herren sind ebenfalls automatisch Mitglieder.«
»Kann man sich auch bewerben?«
»Nur indirekt über einen Fürsprecher. Dieser dient dann als Mentor und kümmert sich um das neue Mitglied.«
»Gibt es auch Aufnahmeprüfungen?«
Ein spöttisches Lächeln ging über das Gesicht des jungen Mannes. »Weder zwingen wir neue Mitglieder zum Kampftrinken noch dazu, nackt über den Campus zu laufen. Das gibt es nur in schlechten amerikanischen Filmen. Sie sollten so etwas nicht anschauen.«
Jenny ignorierte den Spott. »Marc Duprais. Erzählen Sie mir etwas über ihn.«
»Der Name sagt mir etwas, aber ich bin selbst erst seit einigen Monaten hier. Da sollten Sie jemand anderen fragen. Ich kenne ihn nicht.«
»Wann treffen wir denn Michael Strom hier an? Oder ist er auch in den Ferien?«
»Soviel ich weiß, bleibt er hier. Morgen wollte er wieder da sein. Rufen Sie doch einfach an. Ich schreibe Ihnen die Nummer auf.«
Jenny überlegte kurz. »Gut, das war’s fürs Erste. Kann ich eine Mitgliederliste von Ihnen bekommen?«
»Ich sehe nach, ob ich sie finde. Bitte kommen Sie mit ins Büro.«
Er führte sie wieder die Treppe hinunter und durch eine Seitentür in ein kleines Büro. Aus einem Regal zog er eine Akte und nahm eine Liste heraus. »Hier ist sie. Ich kopiere sie Ihnen.«
Jenny bedankte sich und sie verließen das
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