Artefakt
mehrere Sekunden herrschte emotionaler Aufruhr in ihm, trotz der neuronalen Stimulation durch die Rüstung. Er starrte den Polymorphen verblüfft an.
»Was?«, brachte er schließlich hervor. »Was hast du gesagt?«
Sammaccans große Augen blinzelten langsam, wie die eines Reptils. »Ich habe nichts gesagt, Rahil Tennerit. Ich habe das hier bestaunt.« Er deutete auf einen Bildschirm, der die Polis der Hohen Mächte zeigte, eine gewaltige Stadt im Weltraum, voller Lichter.
»Du hast Jazmine erwähnt.« Rahils Stimme war rau, fast ein Krächzen. »Du hast gefragt, was mit ihr sei.«
»Wer ist Jazmine?«, fragte Sammaccan, und Rahil hörte ehrliche Neugier in diesen Worten.
Ein akustisches Signal verlangte seine Aufmerksamkeit. Rahil streckte die Hände nach den Kontrollen aus. »Wir haben den Orbitallift erreicht.«
15
Der von der Ägide konstruierte Orbitallift funktionierte vollautomatisch; die Endstation befand sich dreißigtausend Kilometer über Kedra. Kontrolliert und verwaltet wurde der Lift von einer einfachen Maint ohne eigenes Bewusstsein und damit ohne Personenstatus. Sie empfing die von den Femtomaschinen übertragene Exekutor-Autorisierungssignatur, stellte mithilfe eines autoadaptiven Polymerschlauchs eine Verbindung zur Wartungskapsel her und gestattete es Rahil und Sammaccan, an Bord eines Inspektionsmoduls zu gehen, das mit einem Gravitator ausgestattet war und nur wenige Minuten später mit vergleichsweise hoher Geschwindigkeit dem Planeten entgegenfiel, gehalten und geführt von dem dreißig Zentimeter dicken Strang aus Monofasern. Nach einer halben Stunde musste das Modul die Geschwindigkeit auf nur vierhundert Stundenkilometer verringern, denn weiter unten glitten langsame Frachtbehälter an dem Strang dem Planeten entgegen, zweiundzwanzig mehrere Dutzend Meter durchmessende Kugeln, wie Tautropfen an einem Seidenfaden.
Rahil überprüfte die Kontrollen und stellte fest, dass sie angesichts der geringen Geschwindigkeit mehr als einen Tag brauchten, um das planetare Ende des Orbitallifts im Hauptlager der Archäologen zu erreichen. Er bedauerte, so viel Zeit zu verlieren, aber es ließ sich nicht ändern. Das Kommunikationssystem des Inspektionsmoduls funktionierte einwandfrei, aber er verzichtete trotzdem darauf, mit dem Habitat Kontakt aufzunehmen. Unter den gegebenen Umständen hielt er es für besser, möglichst wenig Aufmerksamkeit zu erregen, und deshalb entschied er sich auch dagegen, die Archäologen auf Kedra – unter ihnen Durrwachter, wie er von Lucrezia erfahren hatte – zu benachrichtigen. Durch das Frachtfraktal auf Kedra nach Eckrote, eine Welt der Aun, das war der erste Schritt. Dort gab es ein großes Kickout, das zu den wichtigsten Verkehrsknotenpunkten der Bruch-Gemeinschaft führte, aber Rahil wollte es nicht sofort benutzen, sondern zunächst der Botschaft der Ägide einen Besuch abstatten, um sich neu auszurüsten, Informationen über die aktuelle Situation einzuholen und die nächsten Schritte zu planen. Vielleicht musste er gar nicht durchs Kickout, was einen Umweg bedeuten würde; vielleicht war die Niederlassung der Ägide auf Eckrote in der Lage, ihm ein Schiff zur Verfügung zu stellen, mit dem er direkt nach Heraklon fliegen konnte.
Während der nächsten Stunden nahm Rahil mehrmals Sondierungen mit den internen und externen Sensoren vor, suchte im Inspektionsmodul und an seinen Außenseiten nach Biosignaturen und Anzeichen von verdächtiger Aktivität. Er fand nichts, und auch bei den kurzen Komm-Gesprächen mit der Maint am Ende des Orbitallifts ergaben sich keine Hinweise darauf, dass ihnen der Ascar gefolgt war. Es deutete alles darauf hin, dass er sich noch im Habitat befand. Schließlich entspannte sich Rahil so weit, dass er überlegte, ob er die Rüstung ablegen sollte. Aus Sicherheitsgründen entschied er sich dagegen – er wollte sich nicht noch einmal überraschen lassen. Sammaccan war nicht mehr ganz so schwatzhaft wie noch während des Flugs mit der Wartungskapsel, aber er stellte weitere Fragen, die vor allem den Orbitallift, Kedra und die Träumenden Städte betrafen.
»Wieso heißen sie Träumende Städte?«, wollte er wissen und trug seinen Teller erneut zur kleinen monochromen Schmiede des Inspektionsmoduls. Zu ihren Programmen gehörten dreiundzwanzig Mahlzeiten, und Sammaccan schien entschlossen zu sein, sie alle zu probieren. Der Appetit des Polymorphen war erstaunlich. Vielleicht brauchte er all die Kalorien, nachdem er mehrmals die
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