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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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leiseste Geräusch, das Summen von Insektenflügeln, tönte laut wie das Dröhnen von Trommeln.
    Reizüberflutung, dachte Rahil und schickte der Rüstung einen gedanklichen Befehl, der ihre Sensoren deaktivierte und die zerebralen Schaltkreise in den Bereitschaftsmodus schaltete. Dann versuchte er aufzustehen und reduzierte auch die von den Femtomaschinen gesteuerte Sensibilisierung seiner Sinne.
    Er schwankte auf Beinen weich wie Gummi, hob die Lider und sah auf Sammaccan hinab, beziehungsweise auf das, was aus dem jungen Polymorphen geworden war. Ein rostroter Gewebeklumpen lag im Empfangsbereich des sich hinter ihnen wölbenden Kickins, fleischig und feucht auf der einen Seite, borkig und wie vernarbt auf der anderen. Rechts und links ragten Gliedmaßen daraus hervor, halb geformt, die Arme nicht von den Beinen zu unterscheiden; der Kopf war ein Buckel ohne Augen, die Nase sah aus wie ein mehrfach gebrochener langer Schnabel. Leises Wimmern kam von dem zitternden Etwas, das den Eindruck machte, von einem Dislokator getroffen worden zu sein. Hatte der Ascar mit einer solchen Waffe auf Sammaccan geschossen? Oder war das gegenwärtige Erscheinungsbild des Polymorphen das Ergebnis des Transitschocks, der seine Körperstruktur durcheinandergebracht hatte?
    Von einer Maint gesteuerte Drohnen waren damit beschäftigt gewesen, Frachtbehälter in Empfang zu nehmen oder für den Transit vorzubereiten. Sie rührten sich nicht mehr, bis auf eine, die mit mehrgelenkigen Beinen heranstapfte. Bei jedem Schritt spiegelte sich Sonnenschein auf ihrem Leib aus Synthmetall.
    »Bitte bewegen Sie sich nicht«, sagte die Drohne. »Das medizinische Zentrum ist bereits verständigt.«
    »Das Kickin«, brachte Rahil hervor. »Es muss geschlossen werden.« Der Ascar durfte keine Gelegenheit erhalten, ihm nach Eckrote zu folgen.
    »Ich bin nicht befugt, das Frachtfraktal stillzulegen, solange keine Gefahr für diese Anlage besteht«, antwortete die Maint mit der Stimme der Drohne. »Eine solche Entscheidung kann nur der zuständige Volontär treffen. Er ist ebenfalls verständigt.« Das große, spinnenartige Geschöpf aus Synthmetall und Polymeren aktivierte einen Formspeicher, und einer seiner langen Greifarme, die auch die Funktion von Beinen erfüllen konnten, verwandelte sich in einen Stuhl. »Bitte nehmen Sie Platz und schonen Sie sich.«
    Rahil schlug nach einem bunt schillernden Insekt, das dicht vor seinem Gesicht schwebte und rasend schnell mit winzigen, durchsichtigen Flügeln schlug. Er fragte sich kurz, ob es diese Flügel gewesen waren, deren Summen er zuvor als Trommelschlag gehört hatte. Stimmen erklangen, von Menschen und einem Chormiki, und eilige Schritte näherten sich, aber Rahil achtete nicht darauf und schaute dem Insekt nach, das seiner Hand ausgewichen war und nach oben flog, dem Gitter entgegen, das sich über dem noch immer aktiven Kickin spannte – es diente als Schild, der den Transitbereich vor elektromagnetischen Störsignalen schützte, insbesondere vor den elektrischen Entladungen, zu denen es manchmal bei Unwettern kam.
    Ich bin schon einmal hier gewesen, dachte er und spürte kaum, dass die Beine unter ihm nachgaben. Die Drohne stützte ihn mit zwei anderen Greifarmen und setzte ihn auf den Formspeicherstuhl, als drei Personen herbeieilten, zwei Menschen und ein vogelartiger Chormiki, alle drei mit den Emblemen des Volontariats am Kragen: Bürger der Bruch-Gemeinschaft, die freiwillig Arbeit leisteten, obwohl sie auf den nicht vom Ereignis betroffenen Welten ein Leben in Muße hätten führen können, ohne den Zwang, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Während die beiden Menschen entsetzt auf den Gewebehaufen starrten, der Sammaccan war, und der Chormiki mit dem Schnabel klapperte und Fragen stellte, deren Sinn Rahil nicht verstand, sah er durch die breiten Lücken im Gitter, blinzelte im Sonnenschein und senkte den Blick zum Meer, dessen aquamarinblaues Funkeln jenseits der Stadt bis zum Horizont und darüber hinaus reichte. Ja, ich bin schon einmal hier gewesen, damals, einige Jahre nach Jazmines Tod, nachdem ich das Dutzend verlassen habe. Während seiner Ausbildung zum Missionar der Ägide war er mit einem Katamaran aufs offene Meer hinausgefahren und hatte sich so weit von den schwimmenden Städten der Außenweltler und den Produktionsstationen der Aun entfernt, dass eine rechtzeitige Rückkehr unmöglich gewesen war, als der Sturm über ihn hereinbrach. Der Psychomechaniker Lynton Hongeva Ayyad

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