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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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Wortspiel, das sich auf die Abkürzung GEK bezog.
    Diesmal lag keine Geringschätzung in dem Wort. Ganz im Gegenteil. Rahil hörte Respekt und sogar Ehrfurcht. Der Gruß seines Vaters galt jemandem, dem er einen höheren Rang zuerkannte.
    Eine Stimme ertönte, und Rahil begriff sofort, dass es nicht die Stimme eines Menschen sein konnte. Sie war dumpf wie ein Bass, und gleichzeitig so durchdringend wie die höchsten Töne einer Flöte. Sie kratzte an Rahils Trommelfellen und löste Staub von den Wänden des Tunnels. Die kleine Flamme am heruntergedrehten Docht der Laterne schien sich mit der gleichen Ehrfurcht zu ducken, die Coltan Jaqiello Tennerit in das Wort »Exzellenz« gelegt hatte.
    Dem dunklen Brummen und hellen Pfeifen folgte eine fremde Stimme. »Wie kommen die Pläne voran?«, fragte der Fremde, und Rahil überlegte, wer der Unbekannte sein mochte. Dann fiel ihm ein, dass er eine solche Stimme schon einmal vernommen hatte, in den Bildern, die Emily »holografisch« genannt hatte. Sie kam weder von einem Mann noch einer Frau. Es war eine künstliche Stimme, mit der eine kleine Maschine sprach, ein Gerät namens »Interpreter«, das fremde Sprachen übersetzen konnte.
    »Unsere Pläne kämen besser voran, wenn wir mehr Hilfe von Ihnen bekämen, Exzellenz«, sagte Coltan, und wieder brachte das letzte Wort großen Respekt zum Ausdruck.
    Es brummte und pfiff, und dann sagte der Interpreter: »Sie bekommen die Hilfe, die notwendig ist, und manchmal sogar etwas mehr. Der Junge lebt, nicht wahr?«
    »Er lebt, ja.«
    »Das ist wichtig.«
    »Wichtig ist auch, dass die Joulwan über einen Uterus verfügen.« Rahil hörte jetzt Zorn in der Stimme seines Vaters. »Woher, frage ich mich. Wie kommt eine biologische Schmiede nach Caina? Wer hilft den Joulwan?«
    Ein Brummen kam aus dem Raum, so tief, dass sich Rahil die Ohren zuhielt, weil es in ihnen wehtat. Der ganze Tunnel schien zu beben, und die Laterne hinter ihm klirrte leise. Mit einer Hand hielt er sie fest.
    »Die Dinge sind in Bewegung geraten, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft«, sprach der Interpreter. »Bald wird es noch mehr Bewegung geben.«
    »Wann, Exzellenz?«, fragte Coltan. »Und welche Art von Bewegung meinen Sie?«
    »Das werden Sie erfahren, wenn es so weit ist, Tennerit. Ich habe Ihnen dies mitgebracht.«
    Etwas stach in Rahils Brust, und um dem Schmerz vorzubeugen, der sich auf diese Weise ankündigte, drehte er den Oberkörper zur Seite. Er hatte ohnehin schon verrenkt dagesessen, und voller Anspannung, und als er das rechte Bein streckte, um sich in eine bequemere Position zu bringen, bekam er plötzlich einen Krampf. Sein Fuß stieß dicht neben dem Fenster an die Wand.
    Die Stille schien plötzlich noch tiefer zu werden: eine Stille, die alle externen Geräusche schluckte und Rahils Herzschlag laut wie einen Trommelwirbel machte. Er wartete mit angehaltenem Atem, in den Ohren ein Dröhnen und Rauschen, von dem er befürchtete, dass man es in ganz Dymke hörte.
    Dann kehrten das Brummen und Pfeifen zurück, und der Interpreter sagte: »Wir sind nicht allein.«
    Rahil hatte bereits die Laterne in der Hand und floh durch den dunklen Tunnel.
    Zwei Tage später erkrankte Rahil.
    Es begann mit Übelkeit am Morgen, gegen Mittag bekam er leichtes Fieber, und am späten Nachmittag wurde er so schwach, dass er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Der Arzt glaubte an eine Erkältung und gab ihm ein Mittel, das das Fieber senkte, doch als Rahil am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich noch schwächer und hatte einen seltsamen Ausschlag bekommen, den sich der Arzt nicht erklären konnte. Und das Fieber stieg. Ein Feuer brannte in Rahil, so heiß, dass sich die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum verschoben. Gestalten erschienen an seinem Bett, aber er wusste nicht, ob sie tatsächlich existierten oder Produkte seiner Phantasie waren. Einmal schlug er die Augen auf und fand sich in einem Tunnel wieder, dunkel und eng wie der, in dem er das Gespräch zwi schen seinem Vater und dem Fremden belauscht hatte. Er hatte keine Lampe und hörte, wie sich vor ihm in der Finsternis etwas bewegte, wie dieses Etwas immer näher kam; umdre hen konnte er sich nicht, denn der Tunnel war zu eng. Er versuchte zurückzukriechen und stieß sich immer wieder mit den Händen ab, kam jedoch viel zu langsam voran. Von Angst gepackt sah er ein Auge aus der Finsternis kommen, und jene Stimme, dumpf und mit einem Pfeifen im Hintergrund, fragte: »Warum hast

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