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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Brandhorst
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stehen, und Rahil spürte die Hand seines Vaters auf der Schulter. Sie übte einen unangenehmen Druck aus.
    »Das ist Jere Laureno Tennerit«, sagte Coltan. »Mein Ururgroßvater. Mit ihm begann der Wiederaufstieg unserer Familie. Die Söhne und Enkel setzten sein Werk fort, und hier stehen wir, die Letzten seiner Nachkommen. Wir werden vollenden, was er begann. Das ist unsere Pflicht. Wir machen die Tennerits wieder zu dem, was sie einst waren.«
    Es war Rahils vierzehnter Geburtstag, und er befürchtete plötzlich, dass ihm dieser Tag nicht gefallen würde. Etwas in der Stimme seines Vaters bescherte ihm Unbehagen.
    Er ging weiter, um der Hand auf seiner Schulter zu entkommen, gab Interesse an den Bildern, Büsten und Statuen vor, an den vielen Objekten und Resten von Kleidungsstücken, die in Vitrinen ruhten. Wir sind hier im Innern eines Schreins, dachte er. Und er ruht auf einem Altar, den unsere Vorfahren sich selbst errichtet haben.
    Ein besonders großes Gemälde in düsteren Farben weckte seine Aufmerksamkeit. Es zeigte eine Welt in Flammen. Feuer fiel von Gebilden am Himmel, die vermutlich Raumschiffe dar stellen sollten, und Rauch verhüllte die Städte unter ihnen. Rahil trat etwas näher und betrachtete die Gestalten auf den Straßen: Männer, Frauen und Kinder, die entsetzt nach oben starrten. Manche hatten die Hände erhoben, als könnten sie das vom Himmel kommende Verderben auf diese Weise abwenden.
    »Die Eklipse«, sagte sein Vater. »Das Ende unserer ersten Zivilisation.«
    Rahils Blick fand, was er suchte: unfertige Gesichter in der von Panik erfassten Menge, Menschen mit mehr als nur zwei Armen und Beinen, manche von ihnen mit den Augen und Schuppen von Reptilien. Er zeigte darauf. »Die Wandler, nicht wahr?«
    »Die Polymorphen von Heraklon«, bestätigte Coltan. »Wir waren damals mit ihnen verbündet. Von dieser Zitadelle aus schmiedete Juranjo Rett Tennerit die Allianz mit ihnen, vor fast fünfhundert Jahren. Zusammen hätten wir wahre Größe erreichen können, aber sieh nur, was die Ägide mit uns gemacht hat.«
    Rahil schwieg, obwohl er wusste, dass jene Schiffe am Himmel von Caina nicht von der Ägide kamen, sondern von Larralde. Die Kongregation hatte sich damals zusammen mit Burion und anderen Mächten der Gefallenen Welten gegen die versuchte Übernahme gewehrt. Die Ägide hatte damit nichts zu tun.
    »Das dürfen wir nie vergessen, mein Sohn«, sagte Coltan und legte ihm erneut die Hand auf die Schulter. Sie schien noch schwerer zu sein als vorher. »Die Ägide und alle anderen dort draußen sind unsere Gegner. Wir müssen allein stark werden.«
    Leere Worte, dachte Rahil und staunte über die Klarheit dieser Gedanken. Wissen machte den Unterschied. Seit mehreren Monaten besuchte er immer wieder die Botschaft der Ägide in Dymke, verkleidet und mit einer Maske, die er in der privaten Schatzkammer seines Vaters gefunden und entwendet hatte. In der Botschaft gab es eine frei zugängliche Bibliothek mit historischen Aufzeichnungen, und er vertraute deren Informationen ebenso, wie er den Bildern von Emilys Würfel vertraut hatte – es gab keinen Grund für ihn, ihre Wahrheit anzuzweifeln. Sein Vater hingegen hatte oft gelogen, und ein Lügner verdiente kein Vertrauen.
    Er betrachtete das große Bild, während er das schwere Gewicht der Hand seines Vaters auf der Schulter spürte. Juranjo Rett Tennerit hatte sich damals mit den Polymorphen verbündet, um seine Rivalen in den anderen Großen Familien auszuschalten. Gestaltwandler von Heraklon waren in die Rollen der Patrone geschlüpft und hatten nach und nach die Kontrolle über die zwölf Welten des Dutzends übernommen. Aber das waren nur die ersten Schritte gewesen. Juranjo Tennerits Ehrgeiz gab sich nicht mit der Macht über Cambronnes Monde zufrieden – er streckte die Hände nach den Sternen aus, nach Burion und der Kongregation von Larralde, nach den anderen Gefallenen Welten. Vielleicht hatte er sogar die Herrschaft über die Bruch-Gemeinschaft und die Ägide geplant, mit Polymorphen, die dort jene Plätze einnahmen, wo alle wichtigen Entscheidungen getroffen wurden. Mit den besonderen Geschöp fen von Heraklon, die jede beliebige Gestalt annehmen konnten, und ausreichend primärer und sekundärer Technik wäre es Juranjo vielleicht sogar gelungen, seine Pläne zu verwirklichen. Die Ägide hatte eingegriffen, nicht direkt, das war nicht ihre Art, aber Informationen konnten auch Waffen sein, und Larralde hatte mit typischer

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