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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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davon, um sich etwas zu trinken zu besorgen und traf Claire. »Du bist dabei, deine gesellschaftlichen Kletterhaken höher einzuschlagen?« forschte sie ironisch.
    »Du meinst ihn? Das läuft eher auf einen Maulwurfshaufen hinaus.«
    »Ich sah dich mit ihm reden und fand es am klügsten, auf Distanz zu bleiben.« Auf seinen fragenden Blick erläuterte sie: »Das ist der berühmte Zaninetti, der Frauenheld, nicht?«
    »Für mich ist er bloß ein brillanter theoretischer Physiker. Ich wußte nicht, daß sein Ruhm bis zur Universität Boston und der Archäologischen Fakultät gedrungen ist.«
    »Oh, er ist ein Wunder. Letztes Jahr gab es eine Schmähschrift, eine Parodie der Schlußexamen. Eine Frage lautete:
    ›Unangenehm, tierisch und kurz‹, Thomas Hobbes berühmter Ausspruch, bezeichnet
    a) Das Leben des Menschen im Naturzustand;
    b) Sergio Zaninetti;
    c) Sex mit Sergio Zaninetti.«
    John merkte sich die Geschichte für einen Brief an seine Eltern und fühlte sich etwas besser. Inzwischen hatte sich eingestellt, was er die Cocktail Party-Instabilität nannte. Er hatte bemerkt, daß das Stimmengewirr im Raum sich im Quadrat zu der Zahl der darin Anwesenden erhöhte, da jedes neue laute Paar die anderen zwang, ihre Lautstärke zu erhöhen, um sich Gehör zu verschaffen. Eine Sättigung war nur möglich, wenn der Lärm Leute aus dem Raum vertrieb. Er wollte dies abwarten und schlug Claires Einladung, ein paar Archäologen kennenzulernen, aus, um auf einen Balkon hinauszutreten. Er überblickte eine Straße, die, abgesehen von den überall parkenden Wagen, aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert hätte sein können.
    Er liebte dieses Gefühl, mühelos in die Vergangenheit zurückzugleiten. In Texas gab es nichts dergleichen, und obwohl Georgia zu den ursprünglichen dreizehn Staaten gehört hatte, gab es wenige Gebäude, die etwas davon zeigten. Das Stimmengewirr hinter ihm war wie eine Gewalt, die gegen die Glastüren in seinem Rücken drängte. Seine Gedanken wandten sich wieder dem Artefakt zu – es war in diesen Tagen nie weit entfernt vom Vordergrund seines Bewußtseins, wo es wie ein geisterhaftes Wesen schwebte, und er überließ sich dem Verdacht, der in ihm entstanden war. Das Ding würde sich niemals in die Geschichte der mykenischen Griechen einfügen, es sei denn, Abes Messungen wären völlig falsch. Der Vorfall mit den Magnetfeldern hatte eine zentrale Tatsache unterstrichen: sie konnten annehmen, daß nichts an dem Stück alltäglich war. Er würde Abe überreden müssen, alle denkbaren physikalischen Eigenschaften zu überprüfen.
    Die Tür hinter ihm ging klickend auf, und Claire sagte: »Ich dachte mir doch, daß ich dich hinausschlüpfen sah.«
    »Ich wollte nachdenken«, sagte er, ans Geländer gelehnt. »Gegen das Stimmengewirr dort drinnen kommt nicht einmal Mozart an.«
    »Ich sprach mit einem Feldarchäologen, der dieses Jahr Gastvorlesungen in Harvard hält. Er fragte mich nach unserem Artefakt.«
    »Was?«
    »Er sagt, er habe es von jemandem an der Brown-Universität gehört.«
    Er richtete sich auf. »LeBailly schwatzt.«
    »Ja.« Ihre Züge waren nervös und verkniffen. Claire Nummer Eins.
    »Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis Hampton davon Wind bekommt?«
    »Gar nicht lange.« Sie verzog das Gesicht zu einem schiefen Lächeln.

 
7
     
    Am nächsten Morgen war die Atmosphäre gespannt. Alle waren gefaßt auf den bevorstehenden Sturm und arbeiteten rasch und angestrengt, um noch möglichst viele Messungen vom Würfel zu machen. John hatte anderweitige Verpflichtungen, versprach aber, am Nachmittag wiederzukommen.
    Claire trank Kaffee, paffte an einer Zigarette und überlegte Strategien für den Umgang mit Hampton. Wie sie die unvermeidliche Enthüllung handhabte, würde entscheidend sein. Die Kumpanei der »Alten Knaben« war in der Archäologie noch durchaus intakt und arbeitsfähig, und trotz der langsamen Fortschritte, die Frauen seit Mitte der Siebzigerjahre gemacht hatten, veränderten sich die oberen Etagen der Universitätshierarchie naturgemäß am langsamsten. Sie hatte nie besonderes Geschick in der Behandlung von Männern alten Stils gehabt. Berufliche Gleichberechtigung würde erst dann möglich sein, wenn Frauen wie sie – vergleichsweise arglos, ein wenig reizbar, unwillig (oder, wie sie kläglich einräumen mußte, unfähig), sexuell getönte Strategien zum beruflichen Weiterkommen einzusetzen – eine Laufbahn verfolgen konnten, ohne neurotisch und abwehrend zu

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