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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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als sei er mit großer Geschicklichkeit konisch zurechtgeschliffen worden. Doch waren an seiner Stirnseite keine Bearbeitungsspuren zu erkennen.
    John ließ den schnurrenden Bohrer allmählich tiefer vordringen und gab acht, daß der Bohrstaub in den Auffangbehälter fiel. Nach jedem halben Zentimeter hielt er den Bohrer an und füllte den gewonnenen Staub in einen Plastikbeutel. Es war ermüdend, ihm zuzusehen, und Claire fand über das Beschriften und Verschließen der Beutel kaum etwas, womit sie sich beschäftigen konnte. Die Nachmittagsstunden veränderten das Licht, das von den großen schmutzigen Fenstern hoch oben in die Halle fiel, zu bläulichen Schatten. Der Bohrer fraß sich mit einem hohen, schrillen Kratzen, das ihr auf die Nerven ging, in den Stein. Und der Stein war hart, was das Vordringen mühselig machte. John hatte das Loch annähernd sechs Zentimeter tief gebohrt und zog das Bohrstück heraus, um es auszuwechseln, als er innehielt, den Kopf zur Seite neigte und lauschte.
    »Hörst du was?«
    »Nein. Ist der Bohrer abgenutzt?«
    John zog ihn ganz heraus. »Hörst du das?«
    Claire beugte sich näher. Ein winziges hohes Pfeifen, beinahe wie der Ton, den ein Fernseher macht, wenn der Knopf der Lautstärkeregelung zugedreht ist. »Was ist das?«
    John blickte umher. »Ein Gerät irgendwo?«
    Claire zog den Kopf zurück, dann beugte sie sich wieder zum Stöpsel. »Nein, beim Loch ist es lauter.«
    Vorsichtig deckte John das Bohrloch mit einem Stück Papier ab. »Großer Gott!«
    »Was?«
    »Es saugt das Papier an.«
    »Was meinst du? Wie…«
    »Da drin scheint ein Vakuum zu sein.«
    Sie saß schweigend, dann raffte sie sich auf. »Hier, laß mich mal!«
    Er nahm das Papier weg, und das dünne hohe Pfeifen fing wieder an.
    »Es… es muß eine Art Blase im Kalkstein sein, die ich angebohrt habe«, sagte John. »Jedenfalls verdammt ungewöhnlich.«
    »Ich wußte nicht, daß es so etwas bei Kalkstein gibt. Es stimmt, daß magmatische Tiefengesteine Gasblasen enthalten, die nach späterer Kondensation ein Vakuum hinterlassen. Aber das ist meines Wissens nur bei Eruptivgesteinen der Fall.«
    Claire, die sich nahe zum Bohrloch gebeugt hatte, spürte einen feinen Luftzug an ihrem Haar und erkannte plötzlich, daß er zum Artefakt hin wehte, in das Loch hinein.
    »Deck es zu!« rief sie.
    John arretierte den Bohrer und griff nach einem Stück flachen Aluminiums, das er vorbereitet hatte. Dieses schob er seitlich über das Bohrloch und deckte es zu. Das dünne Pfeifen ließ nach, aber nicht ganz. Das Aluminium paßte nicht genau auf die unebene Oberfläche des angebohrten Stöpsels.
    »Was… was in aller Welt…«, murmelte John.
    »Das ist keine Höhlung. Die müßte sich doch längst gefüllt haben.«
    »Um das zu bewirken, müßte drinnen eine Pumpe sein.«
    Sie starrten einander sprachlos an. Ohne Beziehung zur Sache – ihre Aufmerksamkeit versuchte diese neue unmögliche Tatsache zu verdrängen – bemerkte Claire das Tuckern einer Diffusionspumpe in einem entfernten Winkel der Halle, das sich mit dem gleichmäßigen Plätschern von Regen an den hohen Fenstern vermischte. Wieder zog von der See her ein Gewitter auf, und grelle Blitzentladungen warfen Schattenbilder strömender Wasserrinnsale in den Raum herab. Der Donner grollte wie ein im Käfig alt gewordener Löwe.
    »Es… es kann nicht sein«, sagte sie.
    »Aber es ist.«
    Das gedämpfte, feine Pfeifen dauerte an und entnervte sie. »Können wir das Loch nicht besser verschließen? Warte, ich weiß. Warum steckst du nicht die Lichtsonde hinein?«
    Er nickte. »Richtig.«
    Sie half ihm die dünne, silbrig-flexible Röhre in ihre Befestigungen und den Vorschubmechanismus einzusetzen. Sie war verbunden mit einer Anordnung optischer Ableseinstrumente, die sich in der Arbeitszone um den Würfel drängten. Als John das Aluminium von der Öffnung zog, hatte das Pfeifen einen rauhen Unterton und schien anzuschwellen und den Raum mit seinem irrationalen, unmöglichen Ton zu erfüllen. John schob rasch die Lichtsonde hinein, die mit einem anorganischen Schmiermittel bedeckt war. Dies ergab einen dichten Verschluß und schnitt das schreckliche hohle Pfeifen ab.
    Die Lichtsonde lieferte ein trübes, bläulichweißes Bild.
    »Ist das eine Seite des Vierecks da drin?«
    »Du läßt deine Phantasie mit dir durchgehen. Ich sehe nur Wolken, vielleicht zur Mitte hin etwas mehr Helligkeit.«
    »Wir sollten Licht sehen, das durch den Zapfen dringt. Warum ist es

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