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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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durch die sauber geschriebenen Gleichungen seines Gegners zu fahren, bis sie vollständig unlesbar waren.
    »Diese Stelle gefällt mir nicht«, sagte Zaninetti ohne Umschweife und zeigte auf eine Gleichung, welche die Kräfte zwischen Johns »Verzerrungen« darstellte.
    »Warum nicht? Es besteht eine Anziehung zwischen ihnen.«
    »Es ist wie mit den Quarks, sehen Sie? Im Laboratorium sind Quarks immer von dieser Kraft zusammengebunden.«
    »Gewiß, aber diese Kraft hier ist nicht so stark.«
    »Si, das ist eine Hilfe. Aber was hält diese Verzerrungen, diese Singularitäten getrennt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich denke, wir haben hier nur einen Teil der Lösung.«
    »Das Ding in dem Würfel paßt zu diesem Modell einer Verzerrung«, sagte John geduldig, überzeugt, daß er darin recht hatte.
    »Sie sind schlau, wie?« Zaninettis Blick wanderte von den verschlungenen Gleichungen zu John. »Aber Sie mißachten die Tatsache, daß diese Verzerrungen einander anziehen sollten, was diese hübschen kubischen Formeln, die Sie gefunden haben, ungültig macht.«
    »Sagen wir, ich habe sie einstweilen zurückgestellt.«
    »Meine Mathematik zeigt, daß sie mitgenommen werden müssen.«
    »Nun gut. Aber ich denke, das ist bloß eine Alternative.«
    »Etwas ist an Ihrer seltsamen Verzerrung anders. Das Ding in dem Würfel sollte nicht so sein, wie es ist. Es sollte, mit einer anderen Verzerrung gepaart, etwas anderes ergeben, etwas, das stabiler ist als dies.«
    »Vielleicht eine andere Kraft, die interveniert? Die Verzerrungen auseinanderhält.«
    Zu Johns Überraschung ging Zaninetti darauf nicht zum Angriff über. Statt dessen skizzierte er mit gelber Kreide eilig ein paar unverständliche Symbole. »Vielleicht, vielleicht. Nur ein Idiot ißt jede Beere, die an den Sträuchern wächst. Man muß sorgfältig von der Mathematik ausgehen. Viele Lösungen sehen gut aus… aber die Natur will sie nicht.« Er hielt inne, starrte nachdenklich auf seine Zeichnung. »Sie sollten einander anziehen, sollten einander heiraten. Quarks existieren nicht isoliert. Uns fehlt hier etwas. Was? Ein Rätsel.«
    Zaninetti folgte noch immer den Lebensgewohnheiten seiner Heimat, und so ging er um halb zwei zu einem großen Mittagessen mit Pasta, Hauptgericht und Wein, mit einem anschließenden Verdauungsschläfchen. John arbeitete unterdessen weiter, knabberte tugendhaft an Nüssen und spanischen Orangen, die Claire zu absurd hohen Preisen in einem von den Bostoner Eingeweihten frequentierten Feinkostladen in der Newbury Street zu kaufen pflegte.
    Der Punkt, der ihm Kopfzerbrechen bereitete, war auch Zaninetti aufgefallen. Angenommen, diese neue Anziehungskraft, die, wie die Gleichungen besagten, in einem wirklichen mikroskopischen Maßstab wirkte, verhüllte wirklich die Massen der kleinen Schwarzen Löcher. Das System erreichte einen Gleichgewichtszustand, indem es eine gewaltige potentielle Anziehungskraft voraussetzte und davon eine nahezu gleich hohe abstoßende Kraft abzog.
    Wie, wenn sie außer Kontrolle gerieten? Wie zerbrechlich war die Balance? Ein kleines Ungleichgewicht, und das Partikel könnte seine stabile kubische Raumzeitformation verlieren. Wenn nur ein kleiner Teil seiner Bergesmasse vernichtet würde, müßte es zu einer unglaublichen Explosion kommen. Weit schlimmer als die einer Wasserstoffbombe.
    Im Augenblick war die Singularität im Mittelpunkt des Steinwürfels, anscheinend zufrieden, in dem Vakuum der Aushöhlung zu schweben. Dort hielt sie sich, gehalten von irgendwelchen Restkräften, deren Ursprung vielleicht magnetisch war. Sie mußte seit Jahrtausenden dort verweilt haben, ohne auszubrechen. Dann hatte der Sturz durch den unterirdischen Höhlengang die Dinge aus dem Lot gebracht.
    John vermutete, daß das Stabilitätsproblem gegenwärtig der wichtigste Aspekt war. Er machte sich Sorgen wegen Abes stetig ansteigenden Ablesungen von Gammastrahlung. Bedeutete es einen Anstieg der Aktivität, bis diese vielleicht ausreichte, das Gleichgewicht der Kräfte im Innern zu zerstören? Oder wurde das Gestein des Blocks aufgezehrt? Ihm kam der Gedanke, daß die Gammastrahlen die Lichtsonde zerstören könnten. Das wiederum könnte zum Aufbrechen der Versiegelung führen.
    Am Spätnachmittag war er der Berechungen müde und beschloß trotz der Kälte einen Dauerlauf den Storrow Drive entlang zu machen. Er rief Abe an, verriet ihm seine Besorgnisse wegen der Lichtsonde, und versprach, am nächsten Vormittag, Sonntag, ins Labor zu

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