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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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Watson rollte schwerfällig in den kurzen, hochgehenden Seen. Sie war ein Spezialschiff der Sechsten Flotte und offiziell ein Teil der Einsatzgruppe 32. Das ganze Schiff war von oben bis unten vollgestopft mit elektronischen Abhörgeräten, Ultrakurzwellen, Radar, Sonar und Infrarotsystemen. Seine Aufgabe war die Raumüberwachung im Umkreis von Hunderten von Seemeilen und das Abhören land- und seegestützter feindlicher Sender, sowie die verfolgende Ortung feindlicher See- und Luftstreitkräfte, bevor sie in den Aktionsbereich der US-Schiffe kamen. Achtern gab es einen Hubschrauberlandeplatz, und vor der Brücke befand sich eine Abschußrampe für Flugabwehrraketen. Jeder konzertierte Angriff würde mit Sicherheit zum Sinken des Schiffes führen, doch sollte es dazu normalerweise nicht kommen. Der Flugzeugträger Eisenhower bewegte sich knapp hundert Seemeilen östlich. Er hatte startbereite Düsenmaschinen in Katapulten auf dem Flugdeck, die im Bedarfsfall jederzeit starten und innerhalb von Minuten an Ort und Stelle sein konnten.
    Vorsichtig tastete John sich den Weg über Niedergänge zurück. Das Wetter war für ihr Vorhaben ausgezeichnet, mit einer dicken Wolkendecke und einer schmalen Mondsichel darüber. Er hoffte, daß es dabei bleiben würde. Ehe er mittschiffs unter Deck ging, hob er noch einmal witternd die Nase in die salzige, etwas nach Seetang riechende Brise, um zu sehen, ob sie auf West gedreht hatte, wie die Meteorologen prophezeit hatten. Aber das war noch nicht der Fall.
    Das rote Licht über der Operationszentrale war die einzige Beleuchtung im Korridor; man achtete streng darauf, jeden vom Land sichtbaren Lichtschein durch momentan geöffnete Luken oder Türen zu vermeiden. John schritt durch den Vorraum in die Zentrale mit ihren Bildschirmen und Konsolen. Carmody saß dort über seine Aufzeichnungen gebeugt. Techniker an den Arbeitsplätzen murmelten in Kehlkopfmikrophone und verfolgten die Darstellungen auf ihren Bildschirmen, wo verschiedenfarbige Punkte in langsamer Bewegung zu erkennen waren. Die Überwachung war auf den nördlichen Sektor über der Argolischen Halbinsel konzentriert. John betrachtete eine Übersichtskarte der westlichen Ägäis, auf die alle wahrgenommenen Bewegungen fremder Schiffe und Flugzeuge mit ihren jeweiligen Positionen kontinuierlich übertragen wurden. Es gab nur wenige blaue Punkte zu sehen, die griechische Flugzeuge kennzeichneten. Vielleicht waren es militärische Patrouillenflüge, vielleicht sogar Privatmaschinen. Die Front war schließlich weit entfernt, und das zivile Leben mußte weitergehen. Eine zweite Übersichtskarte zeigte Infrarot-Satellitenbilder. Er konnte mit den unregelmäßigen Klecksen grüner, orangefarbener und rötlicher Töne nicht viel anfangen. Städte hoben sich scharlachrot ab, aber das Auswerten der übrigen Merkmale war etwas für Sachverständige. Er ließ sich neben Carmody auf einen freien Sitz fallen.
    »Ein letzter Segen?« fragte er.
    »Gehen Sie und tun Sie Ihre Arbeit!«
    »Keine Sorge. Sehen Sie zu, daß das Boot rechtzeitig zur Stelle ist.«
    »Es ist kein Boot, sondern ein Schlauchboot.«
    »Hauptsache, es ist leise.«
    »Das wird es sein. Nicht, daß es darauf ankäme. Der Hubschrauber wird bis dahin alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.«
    John warf einen Blick auf die Skizze, die Carmody auf einer Klemmtafel befestigt hatte. Es war dieselbe, die er vor zwei Tagen in Boston zur Verdeutlichung des Planes gezeichnet hatte.
    »Glauben Sie noch daran?« fragte er.
    Carmody zuckte die Achseln. »Genug, um etwas griechischen Grundbesitz zu riskieren.«
    »Und einige Menschenleben«, sagte John.
    »Ja.« Carmody war ganz unbesorgt. Er hatte solche und wahrscheinlich schlimmere Operationen früher schon durchgeführt.
    Die Zeichnung sah harmlos aus. Die zweite Singularität hatte ihren engen kleinen Tunnel Hunderte von Kilometern vorangetrieben und war jetzt tief unter Europa. Wahrscheinlich hatte sie bereits winzige Spannungen und Bewegungen im Untergrund erzeugt, die womöglich als Auslöser vorhandener Spannungen wirkten und an der Oberfläche als Erdbeben wirksam würden.
    Sie kroch unter der Erde dahin und saugte unersättlich geschmolzenes Gestein ein. Eine Merkwürdigkeit, die in Computersimulationen aufgetaucht war, klärte eine entscheidende Frage: Warum sie nicht durch Kruste und Mantel zum Erdkern absank wie durch Butter. Sie war sehr viel dichter als Felsgestein, mithin müßte sie nach aller Logik sinken. Es war

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