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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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hinaufzog. Es war schwierig, aber er kam mit den Armen vorbei, ohne ihren Oberkörper zu berühren. Als er sich so vorbeiwand, mußte er einen Augenblick die Füße gegen sie setzen, und die Berührung jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Sein Abscheu trieb ihn aufwärts zum nächsten Knoten.
    Er erinnerte sich, wie er in Georgia an regnerischen Tagen in der Turnhalle Konditionstraining betrieben hatte, angetan mit einem baumwollenen Trainingsanzug, um die Muskeln warmzuhalten, und unter anderem auch am Seil geklettert war. Damals war es ihm leichter gefallen. Er hatte es nicht in einem Taucheranzug tun müssen, nachdem er Hunderte von Metern geschwommen war. Und, ja, damals war er ein Jahrzehnt jünger gewesen. Schon spürte er Ermattung in den Armen, und in den Bauchmuskeln, die die Beine hochziehen mußten, wenn sie am nächsten Knoten Halt suchten. Das Seil brannte in seinen vom Wasser erweichten Händen.
    Er war ungefähr zwanzig Meter gestiegen, als er den zweiten Satz Löcher in den Höhlenwänden sah. Sie waren geschwärzt, und er fing aus einem Meter Entfernung einen scharfen, beißenden Geruch auf. Demnach war die Singularität hier mehr als einmal durchgeschossen. Diesmal konnte er keinen Höhenunterschied zwischen den Löchern sehen. Daraus folgte, daß das Ding noch schneller gewesen war, als es diese Löcher gebrannt hatte. Er hatte sich also in den unteren zwei Löchern getäuscht. Sie waren später entstanden.
    Er zog sich weiter aufwärts, ließ seine Beine den größten Teil der Arbeit tun. Der tanzende Lichtkegel der Taschenlampe an seinem Gürtel warf trügerische Schatten über das feuchte Gestein.
    Endlich erreichte er den großen Absatz. Seine Arme zitterten, und die Maschinenpistole auf seinem Rücken schlug hell gegen den Stein, daß Echos durch den Höhlengang hallten. Er zog sich das letzte Stück hinauf und brachte einen Fuß über den glatten Wulst. Dann hatte er ebenen Boden unter sich und konnte das Seil loslassen. Er legte sich auf den schlüpfrigen, nassen Stein, streckte sich und ließ die Verkrampfung aus seinen Muskeln weichen. Sobald er zu Atem gekommen war, leuchtete er mit seiner Lampe durch die enge Höhle zu dem Seitengang, wo er vor Monaten die blaue Lichterscheinung gesehen hatte. Die Wände waren jetzt glasig, nicht so, wie er sie in Erinnerung hatte. Anscheinend war die Singularität hier durchgekommen.
    Er wälzte sich herum und leuchtete hinter sich. Dort war ein kleines geschwärztes Loch im Fels, und rundherum eine glasige braune Verfärbung. Gesteinssplitter lagen auf dem Fels darunter.
    Die Singularität war hier mit hoher Geschwindigkeit durchgeschossen und hatte das Gestein mit Druckwellen zersplittert, noch ehe sie sich hindurchgefressen hatte. Dies mußte bei der Rückkehr geschehen sein, als sie von irgendeiner Position unter Europa zurückgekehrt war, wie Carmody es erhofft hatte. Aber viel zu früh! Vielleicht vor einer oder zwei Stunden. Sie hatte eine sengende Bahn durch die Höhle gezogen… und vielleicht Unteroffizier Petrakos’ Aufmerksamkeit erregt.
    Darauf war sie schnurgerade in Richtung auf die Watson und ihren Zwilling weitergesaust. Doch waren ungefähr zur gleichen Zeit die Hubschrauber gestartet, und so hatte die Singularität kehrtgemacht und war zurückgejagt, durch die Höhle geschossen, hatte Petrakos getötet und war schließlich, verursacht durch die ständigen Kursänderungen der Hubschrauber, am Meeresboden gelandet. Der Höhenunterschied zwischen den beiden Löchern markierte ihre aufsteigende, dem Hubschrauber folgende Bahn, bevor sie in die See gefallen war, als der Hubschrauber über dem Meer gekreist war. Seitdem war sie umhergewandert, von den Strömungen behindert, war wieder in den Fels eingedrungen und hatte, immer auf der Suche nach ihrem Zwilling, mehrfach die Höhle gekreuzt.
    Dies erklärte den blauen Lichtschein, den er im vergangenen Herbst im seitlichen Höhlengang gesehen hatte. Er hatte geglaubt, es sei das Licht des Morgens, gebrochen durch die blauen Wasser des Mittelmeeres. Es mußte jedoch die Aureole dieser zweiten Singularität gewesen sein, die sich tief unten durch den Kalkstein gefressen hatte.
    Er lächelte. Das schien unglaublich lange her. Eine einfache Beobachtung hatte zuletzt eine einfache Erklärung gefunden.
    Er rappelte sich auf und suchte die Umgebung ab. Da waren die zersplitterten Kistenbretter und lagen noch so, wie er sie erinnerte. Offenbar hatte Unteroffizier Petrakos alles unberührt

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