Artefakt
gedankenvolle Briefe, die er in Fachkreisen zirkulieren läßt – ›Ein Forum schaffen‹, nennt er das. Und ich glaube, daß er damit auch dieser Sache beikommen möchte.«
»Vielleicht ist das der beste Weg.«
»Nein, es ist bloß eine Methode, es… mich unter den Teppich zu kehren. Hampton und Kontos werden diese Sache durch das Netzwerk ihrer Alter-Knabe-Kumpanei ventilieren, bis ich mich bei der Arbeit in irgendeinem syrischen Lehmdorf wiederfinde, während sie die mykenischen Ausgrabungen weiterführen.«
»Nun… vielleicht sollten Sie nicht allzuviel Gewicht auf diese Aufzeichnungen legen.«
»Unsinn! Bedenken Sie, zu den Aufzeichnungen gehören auch Ihre Daten, die ich in meine Unterlagen aufnehmen wollte. Hätte ich Zeit gehabt, sie zu kopieren und Ihnen zurückzugeben, würden Sie sie jetzt haben.«
»Trotzdem…«
»Nach diesen Spektrallinien, die Sie gefunden haben? Sie sagten selbst, daß Sie auf eine Art Legierung, oder zumindest auf ein ungewöhnliches mineralisches Konglomerat hindeuten. Hinzu kommt die Tatsache, daß der Block einzigartig ist, ein Relikt, wie niemand es je in einer Grabstätte gefunden hat. Wer weiß, was es zu bedeuten hat, versteckt wie es ist? Nächstes Jahr können wir die Höhle dahinter ausgraben, den unterirdischen Wasserlauf erforschen, vielleicht Dinge finden, die sie hinuntergeworfen haben, und ich will dabei sein!« Ihre Augen funkelten.
Er holte tief Luft. Der Augenblick der Wahrheit war gekommen. »Ich wollte damit sagen, daß meine Ergebnisse vorläufig sind und… äh… falsch sein könnten.«
Sie sah ihn verblüfft an. »Aber warum? Sie waren sorgfältig, ich habe Sie beobachtet.«
»Ja, aber… nun, es ist nicht mein Gebiet.«
»Metallurgie des Altertums hat zweifellos ihre Besonderheiten, aber Sie…«
»Die Sache ist die, daß ich kein Metallurge bin.«
Sie sperrte den Mund auf. »Was?«
»Ich hatte Ausrüstungen, wie wir sie verwendeten, vordem nie gesehen.«
»Was sind Sie dann?«
»Mathematiker.«
Sie starrte ihn ungläubig an.
»Ich… ich arbeite an einem neuen mathematischen Modell von Unreinheiten in Metallen. Anwendungen der Gruppentheorie.«
»Ihr Büro…«
»Sie hatten Platz, also steckten sie mich dort hinein. Ich rede mit den Metallurgen, versteht sich, aber ansonsten…«
»Sie haben mich belogen!«
»So kann man es nicht nennen. Ich sagte nie, daß ich auf diesem Gebiet gut wäre, Sie werden sich erinnern.«
»Ich hatte selbstverständlich angenommen, Sie seien… Sie seien…«
»Ich weiß, und ich bitte um Entschuldigung. Ich dachte, es würde ein Spaß sein, wissen Sie, eine Art Urlaub.«
»Also waren Sie auf die kostenlose Reise aus!« Sie knallte ihr Brandyglas so heftig auf den Tisch, daß es zerbrach. Sie achtete nicht darauf.
»Wirklich nicht. Hauptsächlich waren Sie der Beweggrund.«
»Ich?«
»Ich… äh… ich fühlte mich vom ersten Augenblick zu Ihnen hingezogen.« Er ließ den Kopf hängen. »Ich weiß, das klingt einfältig. Ich glaube, ich… ich ließ mich einfach von meinen Gefühlen mitreißen.«
Zu seiner Überraschung legte sich ihre Erregung. »Und so beschlossen Sie, einfach die Rolle des Metallurgen zu spielen?«
»Ja. Die Ausrüstung konnte ich als Angehöriger der Fakultät gegen Unterschrift leicht bekommen. Dann suchte ich in der Bibliothek zusammen, was ich an Nachschlagebüchern finden konnte. Die las ich auf dem Flug.«
»Das alles…« Sie sah ihn an, als wäre er ein Fremder. »Meinetwegen?«
In diesem ›Meinetwegen?‹ sah er eine momentane Blöße in ihrer blendenden Rüstung. Hegte sie, ehrgeizig, unermüdlich und selbstsicher in ihrem Berufsleben, womöglich Zweifel an ihren weiblichen Qualitäten? Er mußte da etwas tun. Irgendwie.
»Ich tat, was ich konnte«, sagte er kläglich. »Ich verstehe ein bißchen von Elektronik, habe selbst einmal Stereokomponenten gebaut, aber ich… ich kann nicht garantieren, daß die Arbeit akkurat ist. Ich weiß, Sie sind enttäuscht, aber ich möchte, daß Sie auch wissen, daß… nun…« – er blickte ihr direkt in die Augen – »ich es nicht bin. Es war der Mühe wert.«
»Zum Teufel!« sagte sie gereizt, »Sie hätten mich einfach um eine Verabredung bitten können.«
»Ich wollte Sie nicht so vorbeigleiten lassen. Ich ließ mich in meinem Handeln einfach, nun, vom Herzen leiten.«
»Sie sind mir ein kalter, analytischer Mathematiker!«
»Ich hätte es zugeben sollen, als ich zur Ausgrabung kam und sah, was für eine Arbeit es war,
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