Artefakt
mehr als ich erwartet hatte. Aber dann hätten Sie niemanden als Hilfe gehabt. Wäre ich nicht solch eine Memme gewesen…«
»Me… – was?«
»Memme. Feigling.«
Das erweichte sie sichtlich. »Nein, das ist nicht… Sie haben sich angestrengt. Ohne Ihre Hilfe wäre ich nicht so weit gekommen.«
»Es tut mir leid. Aber ich würde es wieder tun. Es hat sich gelohnt.«
Sie schlug den Blick nieder, entdeckte plötzlich den verschütteten Metaxa und begann ihn mit der Serviette aufzutupfen, ohne John anzusehen. Nach einer kleinen Weile lachte sie ein wenig, schüttelte den Kopf und blickte von der Seite zu ihm hin. »Wissen Sie, ich habe auch… anders… für Sie empfunden.«
Er blickte sie in ungläubigem Staunen an. »Oh, das ist ja…«
Sofort war wieder eine gewisse Reserve in ihren Zügen, und sie befeuchtete sich die Lippen. »Vielleicht ist es so, weil wir vieles gemeinsam haben. Es ist Ihnen doch klar, nicht wahr, daß wir beide gemeine, lügnerische Halunken sind?«
Er hörte Frauen nicht gern so reden, doch mußte er ihr zustimmen.
George brachte schlechte Nachrichten. Das Militär war offenbar wieder einmal dabei, die Macht zu übernehmen. Durch die verworrene allgemeine Lage war es zu einer Verspätung seines Fluges gekommen. Am Flughafen von Athen waren Truppentransporte eingetroffen, und alle Passagiere wurden kontrolliert, sogar die Fluggäste der Inlandsrouten. George war nur durchgekommen, weil das Hauptaugenmerk der Kontrolleure auf die Passagiere der ankommenden Flüge gerichtet war, wahrscheinlich wegen Befürchtungen, daß die Opposition Kräfte nach Athen ziehen und einen Gegenputsch versuchen könnte. George hatte mehrere Festnahmen beobachtet.
Dies alles ließ erkennen, daß eine Rückkehr über Athen wenig aussichtsreich war. Dennoch beharrte Claire auf ihrem Vorhaben; sie müsse zu den Ausgrabungen zurückkehren und ihre Aufzeichnungen bergen.
Sie konnten versuchen, eine Privatmaschine zu chartern. Aber die Flughäfen wurden streng überwacht – George hatte die Ankunft von Polizeiverstärkungen am Flugplatz von Heraklion gesehen, als er sein Gepäck abgeholt hatte.
Damit blieb nur der Seeweg. Die beste und billigste Art und Weise würde eine Kreuzfahrt nordwärts an Bord eines der regulären Touristenschiffe sein. Und da Kontos sie an Hand der Passagierliste der Luftlinie nach Kreta verfolgen konnte, taten sie gut daran, rasch von Heraklion fortzukommen. Dies war nicht sofort möglich. Die Behörden hatten nie aufgehört, den Fremdenverkehr zu fördern, weil er von jeher eine wesentliche Deviseneinnahmequelle war. Alle Plätze auf den nächsten nach Norden auslaufenden Schiffen waren ausgebucht. Indem sie einen Schiffskartenverkäufer bestach, gelang es Claire, zwei Plätze an Bord eines Schiffes zu bekommen, das am nächsten Morgen nach Santorin auslaufen sollte. Einen Platz gab es schon für eine Abfahrt an diesem Nachmittag.
Wenn sie sich trennten, würden sie weniger auffällig sein. George zog es vor, die Einzelkarte zu nehmen, statt zu warten. Claire und John wollten am nächsten Morgen folgen und George im Hotel Atlantean auf Santorin treffen.
Einstweilen war es klug, so unauffällig touristisch wie möglich auszusehen. Polizeistreifen patrouillierten in den Straßen und ließen sich Ausweise zeigen, behelligten aber keine offensichtlichen Ausländer. George ging, sein Schiff zu erreichen. Er war guter Dinge; das Abenteuer machte ihm Spaß.
John versuchte sich entspannt zu geben, aber die Gruppen von Polizei- und Armeeuniformen an jeder größeren Kreuzung verursachten ihm Unbehagen. Angenommen, Kontos hatte erfahren, daß sie nicht an Bord der TWA-Maschine gegangen waren? Sicherlich ließe sich daraus eine Anklage wegen Verstoßes gegen diese oder jene Bestimmung konstruieren, und im gegenwärtigen Klima war eine Verurteilung nicht auszuschließen.
Sie schlenderten über den Wochenmarkt, widerstanden aber den schmeichelhaften Worten der Verkäufer. Claire kaufte etwas Safran – eine absolut exzentrische Idee, wie er fand, da sie nur die Kleider hatte, die sie trug, dazu etwas Unterwäsche, zwei Taschenbücher und ein paar Toilettenartikel.
Sie führte ihn durch enge Straßen, in denen sich hupende Wagen und aufdringliche Verkäufer drängten, in die gewölbte Stille des Museums. »Sehen Sie sich um«, sagte sie. »Die Fresken sind im Obergeschoß. Ich werde inzwischen mit meiner Kreditkarte Bargeld holen und ein paar Notwendigkeiten besorgen. Und ein Telegramm
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