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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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zuckte betont gleichgültig die Achseln. »Nein.«
    »Macho.«
    »Verdammt richtig.« Er grinste.
    Sie besah seine gefalteten Hände und erinnerte sich, wie sie auf einem Tischtuch in Nauplia geruht hatten – breite Finger, betonte Knöchel, dicke Nägel mit einem seidigen Glanz. Kräftige, doch nicht ungepflegte Hände, die sie an die Hände von Arbeitern erinnerten, aber ohne Schwielen und ohne abgerissene, geschwärzte Fingernägel. Hände, die sich ruhig und beiläufig bewegten, um ein Weinglas zu nehmen, oder ein Stück Brot – nervöses Herumtasten schien ihnen ebenso fremd wie das Zittern innerer Konflikte. Im Kerzenschein schienen sie groß, und ihre Bewegungen hatten die natürliche Zweckbestimmtheit unabhängiger Geschöpfe.
    Ihr wurde bewußt, daß sie auf seine Hände starrte. Sie fühlte eine Wärme, die sie von innen her erfüllte, und glaubte, sie komme vom Wein und der Entspannung nach dem Tag. Das Murmeln neu eintreffender Gäste, der Klang von Tafelsilber und Porzellan – sie überließ sich dem angenehmen Gefühl dieses zeitlosen Luxus. Vor dem Hauptgericht entschuldigte sie sich und ging zur Damentoilette. Als sie zurückkehrte, folgte Johns Blick dem Schwung ihrer Hüften, und sie sah, daß er die unter ihrem engen blauen Rock sich abzeichnenden Strumpfhalter bemerkt hatte. Männer fanden sie immer erotisch, erinnerte sie sich, viel besser als die praktischen Strumpfhosen. Seinem Gesichtsausdruck konnte sie entnehmen, daß er in der Benutzung eines Strumpfgürtels durch sie eine Provokation sah. Die unmittelbare und automatische Reaktion war eine strenge Spannung in ihrem Gesicht, aber etwas veranlaßte sie, den Ausdruck zu unterdrücken und die Andeutung eines Lächelns an den Mundwinkeln zupfen zu lassen. Ihre Entscheidung für altmodische Strumpfwaren hatte viel mehr mit einer Neigung zu Hefepilzinfektionen zu tun, aber sie ließ ihn denken, was er wollte.
     
    Sie schlenderten die Tremont Street hinab und nahmen den schmalen Fußweg am Ufer des Charles River. Ein vollbusiges Mädchen trabte vorbei, angetan mit einem Polohemd, das den Aufdruck HÄNDE WEG trug. Normalerweise hätte Claire eine solche Schaustellung mit einem herabgezogenen Mundwinkel quittiert, an diesem Abend aber unterdrückte sie ein Schmunzeln. Brandy wärmte sie gegen den kalten Wind, der böig vom Fluß her wehte, und sie nahm Johns Arm, ohne zu überlegen.
    »Du bist in dieser ganzen Angelegenheit soviel selbstsicherer als ich«, sagte sie leise.
    »Hat keinen Sinn, sich zu sorgen.«
    »Aber warum bleibst du dabei? Archäologie hatte dich früher nie besonders interessiert, du sagtest mir das am Anfang.«
    Er zog die Brauen hoch und blickte zu den entfernten Lichtern des MIT hinüber. »Mein Interesse daran wurde geweckt. Aber… tatsächlich warst du es.«
    »Wirklich? Ich?« Sie wunderte sich über den geschmeichelten Ton in ihrer Stimme und tadelte sich wegen solch offensichtlicher Koketterie. Dann aber mußte sie daran denken, daß sie mit diesem Fundstück weit mehr riskierte; sicherlich konnte sie sich hier ein kleines schelmisches Spiel leisten. Sie dachte an seine Hände, die nun an den Seiten herabhingen, als er sich ihr zu wandte. Sie atmete eine perlweiße Wolke aus, und es war, als breche etwas unbekümmert aus ihr hervor, etwas, das sie bisher wirksam blockiert hatte.
    Er war ein ragender dunkler Umriß vor den Lichtern der Stadt, scheinbar größer als sie ihn erinnerte. »Sie sind hypnotisch, meine Dame.«
    »Also habe ich die Archäologie für dich mit Leben erfüllt?« spottete sie. »Deine Stirnlappen angeregt?«
    »Eher ein bißchen weiter unten.«
    Ehe sie sich’s versah, hatte er sie in die Arme genommen. Ein Instinkt in ihr reagierte abwehrend, aber seine Hände waren fest an ihren Armen, die ruhigen, großen Hände, und sie blickte in sein Gesicht und versuchte in der Dunkelheit seinen Ausdruck zu lesen.
    »Dann bist du also kein absoluter Gehirnmensch?« Sie behielt den leichten Ton bei. Vorübergleitende Autoscheinwerfer auf dem Storrow Drive ließen Streulicht über seine Züge gleiten, und sie sah ein erheitertes, beinahe ironisches Lächeln um seinen Mund, aber die Augen waren ernst und dunkel.
    »Nein. Aber ich weiß, wie man angelt.«
    »Angelt?«
    »Meistens ist es bloß ein Warten.«
    »Bis etwas an der Leine zupft?«
    »Nein. Ein Warten auf den kräftigen Biß.«
    »Und nun holst du mich ein?«
    Er lächelte nur.
    »Du arroganter Soundso!«
    »Das sind deine Worte.«
    Er küßte sie

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