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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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ein einfacher Wetzstein sah verschieden aus, je nachdem, ob er aus einer Kultur von Wildbeutern, Ackerbauern oder frühen Stadtbewohnern stammte.
    »Dieser Punkt in der Mitte«, sagte John, um die Aufmerksamkeit abzulenken. »Sie sagten, Ihr erstes Bild sei wegen Überbelichtung unscharf geworden.«
    »Ja, also machte ich eine neue Aufnahme mit kürzerer Belichtungszeit. Hier!«
    In der Mitte des Blattes war ein Punkt zu sehen.
    »Das ist es?«
    »Ja. Die zentrale Quelle ist noch immer nicht klar erkennbar.«
    »Welcher Größe entspricht dies?« fragte Claire.
    »Einem Drittel Millimeter, schätze ich«, sagte Abe steif, als mache er sich auf einen neuen Ausbruch brüsker Ungläubigkeit gefaßt.
    Aber diesmal schüttelte sie nur den Kopf. Abe sagte: »Um die Fachsprache zu gebrauchen, wir sind bis auf ein Pixel herunter. Wir können nicht genauer sehen. Folglich kann ich nicht garantieren, daß die tatsächliche Quelle nicht noch kleiner ist. Eine genauere Auflösung ist einfach nicht möglich.«
    »Ausgeschlossen«, erklärte Claire.
    »Aber wahr«, versetzte Abe.
     
    Damit hatte es für den größten Teil einer Woche sein Bewenden. Abe Sprangle setzte seine Messungen fort, nahm weitere Röntgenbilder auf, versuchte verschiedene Techniken der Isotopenanalyse, rief Fachkollegen von Harvard und Cornell und Brown herüber, um gemeinsam mit ihnen die Ergebnisse zu überdenken. Die Ergebnisse änderten sich nicht. Unter dem stetigen Druck des bekräftigenden Datenmaterials mußte Claire zurückstecken und hörte auf, bei jedem neuen Ergebnis ungläubig die Nase zu rümpfen.
    Abe schlug eine tiefere Bohrung in den Kalksteinblock vor. Die Idee mißfiel Claire, doch hatten die übereinstimmenden Resultate sie unsicher gemacht. Sie stimmte einer drei Zentimeter tiefen Bohrung nahe dem Rand einer Seitenfläche zu. Abe rief einen Spezialisten namens LeBailly von der Brown-Universität herbei. Jede neue Person, die das Artefakt sah, bedeutete eine Erhöhung des Risikos, denn es war unvermeidlich, daß die Leute redeten. Aber Claire hatte eine halbwegs plausible Geschichte erfunden, um diese neuen Forscher zur Geheimhaltung zu vergattern. Es war eine kunstvolle Umgestaltung dessen, was tatsächlich geschehen war, mit besonderer Betonung von Kontos’ persönlichen, politischen und wissenschaftlichen Motiven. Ohne es ausdrücklich zu sagen, implizierte die Geschichte, daß sie das Artefakt durch »Beziehungen« aus Griechenland herausgebracht hätten, und daß alle darüber schwiegen, um die Helfer und Gewährsleute angesichts der sich ständig verschlechternden politischen Lage in Griechenland nicht in Gefahr zu bringen. Diese Fabel sorgte einstweilen für Stillschweigen, aber John und Claire wußten recht gut, daß sie später, wenn die Gastforscher nichts weiter hörten und anfingen, Fragen zu stellen, um so größere Schwierigkeiten heraufbeschwören würde.
    Dies alles ereignete sich vor einem Hintergrund anderer Forschungsinteressen, die nicht vernachlässigt werden durften. Claire hatte ihren Bericht fertigzustellen, und dazu kam eine Unzahl kleinerer Arbeiten, wie sie in einer Fakultät ständig anfallen. John war in ein langwieriges Programm von Berechnungen verstrickt, von denen viele bisweilen schwierig, meistenteils aber geradlinig waren und nur Zeit und Geduld und eine gewisse Hartnäckigkeit erforderten. Abe, der als ordentlicher Professor mehr Bewegungsfreiheit hatte, konnte sich jeden Tag mehrere Stunden lang mit der Verfeinerung seiner diagnostischen Methoden beschäftigen. Einzelheiten und auftretende Probleme mit der Elektronik und Datenverarbeitung delegierte er an Techniker und Assistenten, die er je nach Bedarf von anderen Projekten abziehen konnte.
    Nicht, daß alles nur Arbeit gewesen wäre. John führte Claire mehrmals zu feinen Abendessen in teure Restaurants aus und demonstrierte die Fähigkeit, haarsträubende Rechnungen ohne sichtbare Wirkung zu bezahlen. Das war nicht leicht. Sein Gehalt war bescheiden, und ihn gelüstete noch immer nach einem Ersatz für sein Auto, das inzwischen zu einem liebevoll erinnerten Luxus geworden war. Wenn er in Claires Alfa Romeo durch Boston sauste, wurde ihm der Verlust nur noch stärker bewußt. Es machte ihm nichts aus, daß sie aus Gründen ihres Selbstgefühls das Lenkrad nicht aus der Hand geben wollte, aber ihr unbewußter Leichtsinn war in einer Stadt enger, überfüllter Straßen entnervend.
    Dann gingen sie in stillschweigender Übereinkunft zu einfacheren,

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