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Artefakt

Artefakt

Titel: Artefakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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langsam, damit sie viel Zeit zum Denken habe, zum Akzeptieren. Es dauerte eine gute Weile, und als es vorbei war, fühlte sie seine Hände auf den Armen durch den Mantel, obwohl er sie nicht drückte, sie tatsächlich kaum berührte. Als sie in sein Gesicht blickte, merkte sie, daß die Hände zu ihm paßten, ein wesentlicher Teil seiner Persönlichkeit waren.
    Sie hatte Angst, etwas zu sagen, und wünschte sich, der Augenblick werde andauern. Eine kalte Bö biß ihr ins Gesicht, spielte mit ihrem sorgfältig zurechtgemachten Haar, und plötzlich klapperten ihre Zähne.
    »Wir werden dich unter Dach und Fach bringen müssen.«
    »Ich… ja.«
    »Wo wohnst du eigentlich?«
    »Ich dachte schon, du würdest nie danach fragen.«

 
5
     
    »Es ist richtig, lassen Sie es sich gesagt sein!« sagte Abe Sprangle trotzig.
    John schüttelte den Kopf. »Ich sage nicht, daß Sie einen Fehler machen, wohlgemerkt. Aber dieses Bild ergibt einfach keinen Sinn.« Er wies mit dem Finger auf das Röntgenbild, von dem eine harte Kopie auf Papier vorlag. Abe war auf eine andere Methode zur Untersuchung des Würfels gekommen. Er behandelte die emittierten Röntgenstrahlen, als ob sie gewöhnliches licht wären, und belichtete damit einen Film. Nach einigen Stunden Belichtungszeit entstand ein geisterhaftes Bild, gebildet aus einem Gesprenkel von Punkten.
    »Sie ergeben ein Viereck, sehen Sie?« Abe fuhr den diffusen Umriß nach.
    »Sind Sie ganz sicher, daß Sie diese Röntgenstrahlen nicht aus einer anderen Quelle empfangen haben? Ich meine, eine viereckige Anordnung von radioaktiven Elementen…« Seine Stimme verlor sich in Zweifeln.
    »Nicht bloß ein Viereck. Sehen Sie die Anordnung der Punkte im Inneren des Vierecks? Außerhalb sind überhaupt keine.«
    John nickte. »Also ist es… was?«
    »Ein hohler Würfel, würde ich sagen. Die Seiten enthalten radioaktive Stoffe. Wir blicken entlang der Achse des Hohlwürfels, also sehen wir die gesamte Radioaktivität von den Seiten.«
    »Nun gut… aber was ist das?«
    Abe runzelte die Stirn. »Das? Ich weiß es nicht.«
    Exakt im Mittelpunkt des Vierecks war ein dunkler Punkt, weitaus intensiver als der Nebel von Punkten darum.
    »Ist das etwas im Mittelpunkt Ihres Hohlwürfels?«
    »Sieht so aus. Die Unschärfe des Bildes rührt von Überbelichtung her.«
    »Ein Hohlwürfel in diesem Gesteinsblock?« fragte John ungläubig.
    »Das schließe ich aus den Röntgenstrahlen.«
    »Und die Größe dieser… äh… Aushöhlung?«
    »Ungefähr zwei Zentimeter Kantenlänge.«
    »Was? Das ist…«
    »Ich weiß, sehr klein. Aber das ist…«
    »Was die Röntgenstrahlen sagen, ich weiß.«
    »Es gibt Erklärungen«, verteidigte sich Abe. »Man könnte sich Verschiedenes vorstellen. Ein im Inneren verborgenes Schmuckstück? Ein Werkstück?«
    »Ich weiß nicht…« John rieb sich das Kinn.
    »Wir können Claire fragen.«
    »Ich weiß, was sie sagen wird.«
    »Was?«
     
    »Lächerlich! Es muß ein Irrtum sein.« Claire befingerte den Abzug von der Röntgenaufnahme. »Die mykenischen Griechen haben solche Objekte nie gemacht. Die Würfelform war sehr selten bei ihnen.«
    »Ich habe es ein Dutzend Male überprüft«, erklärte Abe.
    »Es kann nicht sein.«
    »Wenn Sie damit andeuten wollen, daß meine Arbeit…«



»Sehen Sie«, sagte John eilig und trat zwischen sie, »niemand will so etwas andeuten. Aber wir müssen dieses Ding verstehen, ohne es auseinanderzureißen. Richtig?«
    »Selbstverständlich«, sagte Claire ungeduldig. »Ich sage nur, daß es einen Irrtum systematischer Art geben muß, der uns falsche Resultate erbringt… irgendwie.« Sie brach ab und biß sich auf die Unterlippe.
    John sah, daß sie mit ihrem Latein am Ende war, unfähig vorzuschlagen, was zu tun sei, unfähig auch, den Punkt anzugeben, wo Abe fehlgegangen sein mußte, dennoch nicht bereit, seine Ergebnisse zu akzeptieren. Archäologen behandelten physikalische Diagnostik oft als neumodische, möglicherweise trügerische Hinzufügungen zu ihrer eigentlichen Wissenschaft. Sie waren geneigt und trainiert, ein neues Fundstück in das allgemeine Bild der Gesellschaft, aus der es stammte, zu integrieren. Ein einzelner Gegenstand war oft nicht repräsentativ; spätere Besitzer konnten ihn zweckentfremdet, beschädigt, verändert oder Hunderte von Kilometern von seinem Ursprungsort entfernt haben. Gleichwohl mußten einzelne Wesenszüge sich in den Gesamtzusammenhang der Gesellschaft, aus der er hervorgegangen war, einfügen;

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