Artemis Fowl
Stattdessen balancierte er zwischen den Pfützen hindurch zu dem Loch unter der Feuerleiter. In der Dunkelheit waren flüchtige Bewegungen zu erkennen.
»Butler, die Spezialbrille, bitte.«
Butler schnallte ein Nachtsichtgerät von seinem Gürtel und reichte es Artemis. Mit einem Surren passte der Motor die Einstellung automatisch den Lichtverhältnissen an.
Als Artemis sich das Gerät auf den Kopf setzte, wurde um ihn herum alles fluoreszierend grün. Er holte tief Luft und wandte sich den trüben Schatten zu. Etwas hockte auf einer Bastmatte und bewegte sich unruhig in der fast völligen Dunkelheit. Artemis stellte das Gerät ein wenig schärfer. Die Gestalt war klein, ungewöhnlich klein, und in ein schmutziges Tuch gehüllt. Um sie herum lagen leere Schnapsflaschen im Schlamm. Aus dem Stoff ragte ein Unterarm hervor. Er sah grün aus. Aber das traf schließlich auf alles zu.
»Madam«, sagte Artemis, »ich habe Ihnen ein Angebot zu machen.«
Der Kopf der Gestalt schwankte schläfrig. »Wein«, krächzte sie mit einer Stimme wie Fingernägel auf einer Schultafel. »Wein, Engländer.«
Artemis lächelte - die Gabe der Sprachen und die Furcht vor dem Licht. Korrekt. Korrekt. »Ire, um genau zu sein. Also, was ist mit meinem Angebot?«
Die Heilerin fuchtelte listig mit ihrem knochigen Zeigefinger. »Erst Wein, dann reden.«
»Butler?«
Der Leibdiener griff in eine seiner Taschen und nahm eine kleine Flasche besten irischen Whiskeys heraus. Artemis griff danach und schwenkte sie lockend in der Dunkelheit. Er hatte kaum Zeit, seine Spezialbrille abzunehmen, da schoss die krallenartige Hand schon hervor und schnappte nach dem Whiskey. Es war eine fleckige grüne Hand. Da gab es keinen Zweifel.
Artemis unterdrückte ein triumphierendes Grinsen. »Geben Sie unserem Freund seinen Lohn, Butler. Die volle Summe. Denken Sie daran, Mister Xuan, das Ganze bleibt unter uns. Sie möchten doch nicht, dass Butler zurückkommt, oder?«
»Nein, nein, Master Fowl. Meine Lippen sind versiegelt.«
»Das hoffe ich. Sonst wird Butler sie für immer versiegeln.«
Nguyen machte sich eilends aus dem Staub, so froh darüber, noch am Leben zu sein, dass er das Bündel Scheine nicht einmal nachzählte, was höchst ungewöhnlich für ihn war. Aber es war alles da. Die ganzen zwanzigtausend Dollar. Nicht übel für eine halbe Stunde Arbeit.
Artemis wandte sich wieder der Heilerin zu.
»Nun, Madam, Sie besitzen etwas, das ich haben möchte.«
Mit der Zunge leckte sich die Heilerin einen Tropfen Alkohol aus ihrem Mundwinkel. »Ja, Ire. Kopfweh? Schlechte Zähne? Ich heile.«
Artemis setzte das Nachtsichtgerät wieder auf und ging in die Hocke, um auf ihrer Höhe zu sein. »Ich erfreue mich bester Gesundheit, Madam, abgesehen von einer leichten Milbenallergie, und ich glaube, gegen die können selbst Sie nichts machen. Nein, was ich von Ihnen will, ist das Buch.«
Die Alte erstarrte. Unter dem Schal blitzten funkelnde Augen hervor. »Buch?«, fragte sie vorsichtig. »Ich weiß nichts von Buch. Ich bin Heilerin. Wenn du Buch willst, geh in Bibliothek.«
Artemis stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Sie sind keine Heilerin. Sie sind eine Fee, p'shóg , Unterirdische, kadalun - je nachdem, welche Sprache Sie bevorzugen. Und ich will Ihr Buch.«
Eine ganze Weile lang sagte die Kreatur nichts. Dann zog sie sich das Tuch vom Kopf. In dem grünen Licht des Nachtsichtgeräts sprangen Artemis ihre Züge entgegen wie eine Halloween-Maske. Die Nase der Fee unter den schlitzförmigen, goldenen Augen war lang und gebogen. Ihre Ohren waren spitz, und die Trunksucht hatte ihre Haut aufgelöst wie Fensterkitt.
»Wenn du von dem Buch weißt, Menschenjunge«, sagte sie langsam, gegen die betäubende Wirkung des Whiskeys ankämpfend, »dann weißt du auch von der Magie in meiner Hand. Ich kann dich mit einem Fingerschnipsen töten!«
Artemis zuckte die Achseln. »Das glaube ich kaum. Sehen Sie sich doch an - Sie sind so gut wie tot. Der Reiswein hat Ihren Verstand zerfressen. Eine armselige Warzenheilerin! Ich bin hier, um Sie zu retten, im Austausch gegen das Buch.«
»Was könnte ein Mensch mit unserem Buch anfangen?«
»Das geht Sie nichts an. Das Einzige, was Sie interessieren sollte, sind die Wahlmöglichkeiten, die Ihnen bleiben.«
Die spitzen Ohren der Fee bebten. Wahlmöglichkeiten?
»Erstens: Sie weigern sich, uns das Buch zu geben, wir verschwinden wieder und lassen Sie in dieser Kloake verfaulen.«
»Ja«, sagte die Fee. »Die
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