Artemis Fowl
hol Juliet und komm in mein Büro. Ich habe hier ein paar Puzzlearbeiten, bei denen ihr mir helfen müsst.«
* * *
Vielleicht wäre an dieser Stelle ein wenig Familiengeschichte angebracht.
Die Fowls waren in der Tat legendäre Verbrecher. Seit Generationen hatten sie auf der falschen Seite des Gesetzes gekämpft und dabei so viel Reichtum angehäuft, dass sie es sich schließlich leisten konnten, gesetzestreue Bürger zu werden. Wie man sich jedoch denken kann, langweilte sie die Rechtschaffenheit nur allzu bald, und sie wandten sich wieder dem Verbrechen zu.
Artemis Fowl der Erste, der Vater unseres Untersuchungsobjekts, war es, der das Familienvermögen aufs Spiel gesetzt hatte. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatte Artemis Senior beschlossen, einen großen Teil des Fowlschen Vermögens in den Aufbau neuer Schiffsverbindungen mit dem riesigen Land zu investieren. Neue Konsumenten, so argumentierte er, brauchten neue Konsumgüter. Doch die russische Mafia war nicht allzu begeistert darüber, dass einer aus dem Westen sich in ihren Markt drängte, und sandte eine kleine Botschaft. Diese Botschaft bestand aus einer gestohlenen Stinger-Rakete, die kurz hinter Murmansk auf die Fowl Star abgeschossen wurde. Artemis Senior war an Bord des Schiffes, zusammen mit Butlers Onkel und zweihundertfünfzigtausend Dosen Cola. Es war eine ziemliche Explosion.
Die hinterbliebenen Fowls waren durchaus nicht mittellos, doch zu den Milliardären konnten sie sich nicht mehr zählen. Artemis der Zweite schwor, diesen Missstand zu beheben. Er würde das Familienvermögen der Fowls wiederherstellen. Und er würde es auf seine Weise tun.
* * *
Sobald das Buch übersetzt war, konnte Artemis ernsthaft mit der Planung beginnen. Sein Ziel kannte er bereits, nun konnte er sich überlegen, auf welchem Weg er es erreichen wollte.
Dieses Ziel war natürlich Gold. Die Beschaffung von Gold. Wie es schien, war das Erdvolk beinahe ebenso versessen auf das kostbare Metall wie die Menschen. Jeder Unterirdische hatte seinen eigenen Vorrat - allerdings nicht mehr lange, wenn es nach Artemis ging. So manch einer von dem Völkchen würde mit leeren Taschen herumlaufen, wenn er mit ihnen fertig war.
Nach achtzehn Stunden ausgiebigem Schlaf und einem leichten Frühstück ging Artemis hoch in das Arbeitszimmer, das er von seinem Vater geerbt hatte. Der Raum war ganz klassisch eingerichtet - dunkle Eiche und Bücherregale vom Boden bis zur Decke -, doch Artemis hatte ihn mit den neuesten Errungenschaften der Computertechnik ausgestattet. In verschiedenen Ecken des Raums summten vernetzte Apple-Macs vor sich hin. Einer von ihnen warf via Videobeamer die Nachrichtenbilder der CNN-Website an die hintere Wand.
Butler war bereits dort und fuhr die Computer hoch.
»Schalte sie alle ab, bis auf das Buch. Ich brauche Ruhe.«
Der Diener war überrascht. Die Website lief bereits seit fast einem Jahr. Artemis war überzeugt, dass CNN irgendwann die Nachricht von der Rettung seines Vaters bringen würde. Sie abzuschalten bedeutete, dass er sich nun damit abfand.
»Alle?«
Artemis betrachtete kurz die hintere Zimmerwand. »Ja«, sagte er schließlich. »Alle.«
Butler nahm sich die Freiheit heraus, seinem Herrn sanft auf die Schulter zu klopfen, nur einmal, bevor er zu seinen übrigen Beschäftigungen zurückkehrte. Artemis dehnte knackend seine Finger. Zeit, das zu tun, was er am besten konnte: hinterhältige Pläne schmieden.
Kapitel 3
Holly
Holly Short lag im Bett und kochte innerlich. Daran war nichts Ungewöhnliches; Alraunen waren nicht gerade berühmt für ihre Fröhlichkeit. Doch Holly hatte ganz besonders schlechte Laune, selbst für eine Unterirdische. Genau genommen war sie eine Elfe. Unterirdische war eher eine allgemeine Bezeichnung. Außerdem war sie eine Alraune, aber das war nur ein Job.
Vielleicht ist eine Beschreibung sinnvoller als ein Vortrag über die verschiedenen Gattungen der Unterirdischen. Holly Short hatte karamellbraune Haut, kurzes, kastanienbraunes Haar und haselnussbraune Augen. Ihre Nase war hakenförmig und ihr Mund üppig und engelhaft, was nicht weiter verwunderlich war, denn Amor war ihr Urgroßvater. Ihre Mutter war eine europäische Elfe mit ungestümem Temperament und von gertenschlanker Gestalt. Auch Holly war schlank, mit langen, schmal zulaufenden Fingern - wie geschaffen dafür, sich um einen Elektrostock zu legen. Ihre Ohren waren natürlich spitz. Mit genau einem Meter
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