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Arthur & George

Arthur & George

Titel: Arthur & George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julian Barnes
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Lord’s Widerstand zu leisten. Er hat die Frage, ob Connie später Hornung umstimmte oder Hornung Connie, nie gelöst; doch wie immer das gewesen sein mag – inzwischen bewundert er Connie dafür.
    Er besucht sie eines Nachmittags, als Hornung ausgegangen ist; der Tee wird in ihrem kleinen Salon im Obergeschoss serviert, wo sie sich einst anhörte, was er über Jean zu sagen hatte. Eine seltsame Erkenntnis, dass seine kleine Schwester nun bald auf die Vierzig zugeht. Doch das Alter steht ihr. Sie ist nicht mehr so hübsch anzusehen wie früher, sie ist groß, gesund und gutmütig. Jerome hatte nicht Unrecht, als er sie damals in Norwegen eine Brünnhilde nannte. Es ist, als wäre sie zum Ausgleich für Hornungs Kränklichkeit mit den Jahren noch robuster geworden.
    »Connie«, beginnt er sanft. »Denkst du je darüber nach, was nach dem Tod aus uns wird?«
    Sie sieht ihn scharf an. Gibt es schlechte Nachrichten über Touie? Geht es der Mama nicht gut?
    »Das ist eine allgemeine Frage«, fügt er hinzu, als er ihren Schrecken spürt.
    »Nein«, antwortet sie. »Jedenfalls sehr selten. Ich mache mir Gedanken über das Sterben anderer. Über meines nicht. Früher ja, aber das ändert sich, wenn man Mutter ist. Ich glaube an die Lehren der Kirche. Meiner Kirche. Unserer Kirche. Der Kirche, die du und die Mama verlassen haben. Ich habe keine Zeit, an etwas anderes zu glauben.«
    »Hast du Angst vor dem Tod?«
    Connie überlegt. Sie hat Angst vor Willies Tod – sie wusste bei ihrer Heirat, dass er schwer asthmakrank ist, wusste, dass er immer anfällig sein würde –, doch das ist eine Angst vor seiner Abwesenheit und dem Verlust seiner Gesellschaft. »Der Gedanke daran kann mir schwerlich gefallen«, antwortet sie. »Aber das lasse ich auf mich zukommen. Willst du auch ganz bestimmt nicht auf etwas anderes hinaus?«
    Arthur schüttelt schnell den Kopf. »Man könnte deine Einstellung also so zusammenfassen: Warten wir’s ab?«
    »Vermutlich. Warum?«
    »Liebe Connie – deine Einstellung zur Ewigkeit ist so englisch.«
    »Was für ein seltsamer Gedanke.«
    Connie lächelt und scheint nicht vor dem Thema zurückzuschrecken. Dennoch weiß Arthur nicht recht, wie er anfangen soll.
    »Als ich ein junger Bursche in Stonyhurst war, hatte ich einen Freund namens Partridge. Er war etwas jünger als ich. Ein wunderbarer Fänger direkt hinter dem Wicket. Er verwickelte mich gern in theologische Streitfragen. Dazu suchte er sich die widersinnigsten Doktrinen der Kirche aus, und ich sollte sie rechtfertigen.«
    »Demnach war er Atheist?«
    »Keineswegs. Er war ein besserer Katholik, als ich es je war. Er wollte mich aber von den Wahrheiten der Kirche überzeugen, indem er gegen sie argumentierte. Wie sich herausstellte, war das keine gute Taktik.«
    »Ich wüsste gern, was aus Partridge geworden ist.«
    Arthurs lächelt. »Wie das Leben so spielt, ist er der zweithöchste Karikaturist beim Punch .«
    Er verstummt. Nein, er muss den Stier bei den Hörnern packen. Das ist schließlich seine Art.
    »Viele Menschen – die meisten Menschen – haben furchtbare Angst vor dem Tod, Connie. In der Hinsicht sind sie anders als du. Doch sie gleichen dir darin, dass sie englische Ansichten haben. Warten wir’s ab, lassen wir die Dinge auf uns zukommen. Doch warum sollte das die Angst verringern? Warum sollte die Unsicherheit nicht die Angst vergrößern? Und was ist der Sinn des Lebens, wenn man nicht weiß, was danach kommt? Wie kann man den Anfang vernünftig gestalten, wenn man das Ende nicht kennt?«
    Connie fragt sich, worauf Arthur hinauswill. Sie liebt ihren großen, großzügigen, ungestümen Bruder. Sie denkt, hier bekomme der schottische Sinn fürs Praktische plötzlich Feuer.
    »Wie gesagt, ich glaube an das, was meine Kirche lehrt«, antwortet sie. »Ich sehe keine Alternative dazu. Höchstens den Atheismus, und der ist nur hohl und leer und unsagbar deprimierend, und er führt zum Sozialismus.«
    »Was hältst du vom Spiritismus?«
    Sie weiß, dass Arthur sich schon seit Jahren hin und wieder mit dem Übersinnlichen befasst. Es wird hinter seinem Rücken darüber getuschelt.
    »Ich glaube, ich stehe ihm misstrauisch gegenüber, Arthur.«
    »Warum?« Er hofft, Connie werde sich nicht ebenfalls als Snob erweisen.
    »Weil ich ihn für betrügerisch halte.«
    »Da hast du recht«, antwortet er zu ihrem Erstaunen. »Vieles davon ist Betrug. Es gibt immer mehr falsche Propheten als wahre – das war schon bei Jesus Christus so. Es

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