Arthur & George
gleich zu handeln.«
»So warst du schon immer, Arthur.«
»Wir werden verlacht werden. Es ist eine große Sache, aber es wird kein fairer Kampf. Du musst dich darauf gefasst machen, dass dein Bruder verlacht wird. Dennoch, denke immer daran: Ein Fall ist alles, was wir brauchen. Ein Fall, und alles ist bewiesen. Über jeden vernünftigen Zweifel hinaus bewiesen. Über jede wissenschaftliche Widerlegung hinaus bewiesen. Denk daran, Connie.«
»Arthur, dein Tee ist jetzt ganz kalt.«
Und so gehen die Jahre allmählich dahin. Es ist nun zehn Jahre her, dass Touie erkrankte, sechs, dass er Jean kennenlernte. Es sind elf Jahre, seit Touie erkrankte, sieben, seit er Jean kennenlernte. Es sind zwölf Jahre, seit Touie erkrankte, acht, seit er Jean kennenlernte. Touie bleibt fröhlich und schmerzfrei und ahnt nichts, dessen ist er sich sicher, von der sanften Verschwörung um sie herum. Jean bleibt in ihrer Wohnung, übt ihre Stimme, geht auf die Fuchsjagd, macht unter Aufsicht Besuche in Undershaw und ohne Aufsicht in Masongill; sie beteuert beharrlich, was sie habe, sei ihr genug, denn es sei alles, was ihr Herz begehre, und lässt dabei ein Jahr nach dem anderen hinter sich, in dem sie gefahrlos hätte Kinder bekommen können. Die Mama bleibt seine Stütze, seine Beichtigerin, seine Beruhigung. Nichts bewegt sich. Vielleicht wird sich nie etwas bewegen, bis die Anspannung eines Tages sein Herz angreift und er einfach explodiert und verlöscht. Es gibt keinen Ausweg, das ist das Entsetzliche seiner Situation; oder vielmehr, jeder lockende Ausweg führt ins Unglück. In Lasker’s Chess Magazine liest er von einer Position namens Zugzwang, in welcher der Spieler keine Figur in irgendeine Richtung auf irgendein Feld schieben kann, ohne seine ohnehin schon gefährdete Stellung noch zu verschlechtern. Genauso fühlt Arthurs Leben sich an.
Im Leben Sir Arthurs dagegen, und das ist alles, was die meisten Menschen sehen, herrscht eitel Sonnenschein. Ritter des Königreichs, Freund des Königs, Kämpfer für das britische Empire und Deputy Lieutenant der Grafschaft Surrey. Ein überaus gefragter Mann. Einmal wird er in das Preisgericht eines Körper-Wettbewerbs berufen, den der Pionier der Körperbildung, Mr Sandow, in der Albert Hall organisiert hat. Er und der Bildhauer Lawes sind die zwei Beisitzer, Sandow selbst ist der Preisrichter. Achtzig Teilnehmer stellen vor der vollbesetzten Halle jeweils in Zehnergruppen ihre Muskeln zur Schau. Achtzig strotzende Leopardenfelle werden auf vierundzwanzig reduziert, dann auf zwölf, auf sechs und schließlich auf drei Finalisten. Das sind alles Prachtexemplare, doch einer ist etwas klein geraten, ein anderer ein wenig schwerfällig, darum vergeben sie den Titel und damit auch eine wertvolle Goldstatue an einen Mann namens Murray aus Lancashire. Danach werden die Preisrichter und einige auserwählte Gäste mit einem späten Champagner-Diner belohnt. Als Arthur auf die mitternächtliche Straße hinaustritt, sieht er Murray vor sich herlaufen, die Statuette gleichgültig unter den kräftigen Arm geklemmt. Sir Arthur holt ihn ein, gratuliert ihm erneut, und da er bemerkt, dass der andere ein sehr schlichter Bursche vom Lande ist, fragt er ihn, wo er zu übernachten gedenke. Murray gesteht, dass er überhaupt kein Geld hat, nur seine Rückfahrkarte nach Blackburn, und durch die verlassenen Straßen laufen will, bis am Morgen sein Zug fährt. Also nimmt Arthur ihn mit in Morley’s Hotel und weist das Personal an, sich um ihn zu kümmern. Am nächsten Morgen sieht er Murray fröhlich im Bett sitzen und vor ehrfürchtigen Zimmermädchen und Kellnern Hof halten, während sein Preis neben ihm auf dem Kissen funkelt. Das erscheint wie der Inbegriff eines glücklichen Endes, doch es ist nicht das Bild, das Sir Arthur in Erinnerung bleibt. In Erinnerung bleibt ihm das Bild eines Mannes, der allein vor ihm her geht; eines Mannes, der einen großen Preis gewonnen hat und bejubelt wurde, eines Mannes mit einer goldenen Statuette unter dem Arm, der kein Geld in der Tasche hat, eines Mannes, der bis zum Tagesanbruch einsam durch die von Gaslaternen beleuchteten Straßen laufen wollte.
Dann gibt es noch das Leben von Conan Doyle, das gleichfalls in bester Verfassung ist. Conan Doyle ist so professionell und energiegeladen, dass er nie länger als ein, zwei Tage unter Schreibhemmungen leidet. Er hat eine Geschichte vor Augen, er recherchiert und entwirft sie, dann schreibt er sie hin. Er hat eine
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