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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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ersetzte das Sweatshirt durch den pinkfarbenen Fleecepulli, den ich für meine Mutter eingesteckt hatte. In dem Moment, in dem ich den Mantel wieder übergestreift hatte, vergrub ich auch schon das Kinn im Kragen, um mich der kalten Luft zu erwehren, die mir wie mit Nadeln ins Gesicht stach.
    »Patrick ist mir nachgelaufen wie ein Schoßhündchen«, antwortete Chase. »Ich habe versucht, ihn aus dem hinteren Bereich des Hauses wegzulocken, vielleicht sogar dazu zu bringen, zu seiner Frau in den Keller zu gehen, aber da haben die Kerle, die er gerufen hat, die Vordertür aufgebrochen. Billings, schätze ich, und drei andere. Ich konnte noch einen sauberen Schlag ansetzen, ehe …«
    »Du hast einen Soldaten geschlagen?«, fiepste ich. Das würde schlimme Folgen haben, sollten wir geschnappt werden.
    »Viele andere Möglichkeiten hatte ich nicht«, sagte er. Ich hörte, wie er sein Hemd wechselte und einen Grunzlaut von sich gab, als der Stoff über die Wunde an seinem Arm schrammte. »Einer von ihnen hat gesagt: ›Das ist er‹ und nach seiner Waffe gegriffen. Der Mistkerl und seine Frau müssen uns schon erkannt haben, ehe wir die Nachrichten gehört haben.«
    Ich nickte, bis mir bewusst wurde, dass er mich nicht sehen konnte. »Sie dachten, sie könnten eine Belohnung für uns kassieren«, erklärte ich. Für den letzten Soldaten haben wir tausend Dollar bekommen , hatte Patrick gesagt. Und wer weiß, vielleicht bekommen wir sogar einen Bonus für das Mädchen. Zu wissen, dass ein Preisschild an uns klebte, eines, das reichen würde, Kost und Logis für eine ganze Familie zu sichern, drehte mir den Magen um.
    Chase fluchte leise, und ich fühlte, wie sich diese Neuigkeit auf ihn auswirkte und in seine Poren drang. Als er wieder das Wort ergriff, klang seine Stimme trostlos.
    »Einer von ihnen hat das Licht ausgeschaltet. Das hat aber nicht so hingehauen, wie die gehofft haben. Ich bin hinten raus, und da habe ich dann dich entdeckt.«
    »Ich habe das Licht ausgeschaltet«, gestand ich.
    »Du hast was?«
    »Ich habe den Generator abgeschaltet.«
    »Du …« Ein scheinbar endloser Herzschlag zog dahin, ehe er sich langsam näherte und die Hände auf meine Schultern legte. Die Verwirrung, die sich in seinen dunklen Augen spiegelte, machte mich nervös. Da stand er nun erneut und berührte mich, während sein Kopf mit seiner Handlungsweise im Konflikt stand.
    »Du zitterst«, stellte er besorgt fest. Ich schüttelte seine Hand ab, doch da war es schon zu spät. All die Gefühle, die ich seit unserem Abschiedskuss unter Verschluss hatte halten wollen, drangen plötzlich auf mich ein. Die Sehnsucht, die Hoffnung. Die Ablehnung. Und das alles wurde noch verstärkt durch den Umstand, dass uns nun der Weg nach Lewisburg verwehrt war und damit, so fühlte es sich jedenfalls an, auch der zu meiner Mutter. Er schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte, und er senkte den Kopf auf meine Höhe.
    »Hey, bist du …?«
    Ich verpasste ihm eine Ohrfeige.
    Für ganze drei Sekunden herrschte fassungsloses Schweigen. Dann ergriff er wieder das Wort:
    »Verflucht. Das war flink.«
    »Das ist alles, was du zu sagen hast?« Ich brüllte beinahe. Meine Hand brannte gerade ausreichend, mir zu verraten, dass sie in der Kälte nicht zersprungen war.
    Er schien nicht recht weiterzuwissen. »Ich … ja, schätze schon. Wofür genau war das?«
    »Du weißt, wofür das war«, beschuldigte ich ihn wütend. »Wie kannst du …  das  … tun, nachdem … du weißt schon!«
    »Ich weiß nicht «, sagte er stumpf. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Du hast mich geküsst!«
    Er stolperte einen Schritt zurück, und ich hörte die Luft zwischen seinen Zähnen entweichen.
    »Das schien dir zu dem Zeitpunkt nicht so viel auszumachen.«
    Ich knurrte ihn nur an, schnappte mir den Rucksack und schloss gewaltsam die Klappe. »Ich dachte, du wärst jemand anderes.« Der frühere Chase.
    Er riss mir den Rucksack aus der Hand und warf ihn sich über den Rücken. Dann schüttelte er ihn wieder ab, als ihm einfiel, dass wir nicht weitergehen würden, und er warf ihn mit Wucht auf den Boden.
    »Ich habe es dir gesagt«, gab er mit tiefer Stimme zurück. »Er ist nicht mehr da. Das ist vorbei.«
    Ich kämpfte gegen die Tränen und wandte mich ab. Dass Chase selbst diese zwei Persönlichkeiten einräumte, die in ihm existierten, hätte beruhigend auf mich wirken sollen, aber ich fühlte mich nur noch schlechter. Ich konnte seine Nähe einfach

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