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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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schloss Sean.
    »Die wollten mich exekutieren?«, fragte ich schwach.
    »Nicht dich«, sagte Billy. »Die Leute, die angeklagt werden. Leute wie deine Mom.«

Der ganze Raum drehte sich um mich. Ich stützte mich auf den Tresen und nahm kaum wahr, dass Billy und Wallace hinausgegangen waren.
    »Ember«, sagte Chase zögernd, kam aber nicht näher.
    »Warum sollten die so etwas tun?«, fragte ich schwach, doch mir war bewusst, dass das nicht so abwegig war. Ich war in dem Checkpoint an der Rudy Lane gewesen, als die MM den Schleuser erwischt hatte.
    »Wir passen nicht ganz so gut zum Entwurf eines neuen, moralischen Landes«, bemerkte Sean ergrimmt.
    Ich ging zum Angriff über.
    »Du hast es gewusst. In der Reformschule. Du hast es gewusst, als ich versucht habe zu fliehen, und du hast mir nichts gesagt.«
    Er trat unbehaglich von einem Bein auf das andere. »Ich hatte Gerüchte gehört. Du musst das verstehen. Ich dachte, du würdest Brock von Becca und mir erzählen. Ich dachte, wenn du keinen Grund mehr zur Flucht hättest, hättest du auch keinen Grund mehr, den Mund zu halten.«
    »Hau bloß ab.«
    Er wich zurück.
    »Ember.« Chase sprach meinen Namen so zart und vorsichtig aus, als wäre er ein verletzter Vogel.
    Er hatte die ganze Zeit Bescheid gewusst. Er hatte die Wahrheit vor mir verborgen. Warum hatte er mir nichts gesagt?
    »Wir müssen gehen.« Ich schob mich an ihm vorbei und rannte zu unserem Zimmer zurück. Auf dem Korridor waren Leute, die mir nachschauten, aber ich nahm sie kaum wahr. Die Furcht lastete so schwer auf mir, dass ich kaum schlucken konnte. Meine Knie fühlten sich schrecklich schwach an, aber ich wusste, ich musste stark sein. Ja, jetzt musste ich ganz besonders stark sein.
    Ich warf mir den Rucksack etwas zu schwungvoll über die Schulter und musste mich an der Wand abstützen, um das Gleichgewicht zu halten.
    »Verdammt, Ember. Warte.« Chase versuchte, mir den Rucksack zu entringen. Im Kerzenschein sah er ziemlich blass aus.
    »Nicht. Wir gehen. Wir haben keine Zeit!«, schrie ich ihn an. »Was ist eigentlich los mit dir? Wir müssen weiter!«
    »Ember, nimm den Rucksack runter.«
    »Chase! Sie ist in Gefahr! Wahrscheinlich sind die gerade jetzt auf der Suche nach ihr! Wir müssen sie finden!« Heiße Tränen, angefüllt mit Verwirrung und Entsetzen, strömten aus meinen Augen. Ich war nicht wütend auf ihn. Ich war zu verängstigt, um wütend zu sein.
    »Wir können nicht gehen. Nicht jetzt.«
    »Sie hat Angst! Ich kenne sie. Niemand kann sich so um sie kümmern wie ich.«
    Er wich zur Wand zurück. Seine Augen waren riesig, glasig und ängstlich. Für einen Moment dachte ich, er hätte endlich verstanden, aber das war ein Irrtum.
    »Ember, es tut mir leid.«
    »Es muss dir nicht leidtun. Lass uns einfach gehen!«
    »Ember!« Er schlug sich auf das eigene Bein, so brutal, dass ich erstarrte. »Sie ist tot.«
    Wie kann er so etwas Schreckliches sagen?, lautete mein erster, zusammenhängender Gedanke. Wie kann er etwas so Grausames, Hässliches sagen?
    Plötzlich kam mir der Rucksack furchtbar schwer vor. Er zog mich nach hinten und glitt mit einem leisen Rums zu Boden.
    »Was?« Die Stimme, die das sagte, hörte sich für mich weit entfernt an.
    Er hielt sich die Hände vor den Mund, als wollte er sie mit seiner Atemluft erwärmen.
    »Es tut mir leid. Sie ist nicht mehr da, Em.«
    »Nenn mich nicht so«, fauchte ich. »Warum sagst du so etwas?«
    »Sie ist tot.«
    »Hör auf!«, kreischte ich. Die Tränen strömten mir ungehindert über das Gesicht, und ich konnte kaum atmen.
    »Es tut mir leid.«
    »Du irrst dich. Du irrst dich!«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich war dabei.« Seine Stimme brach, und ich fühlte, wie die Wand hinter mir mein Gewicht auffing.
    »Du … warst dabei? Wovon sprichst du? Wir müssen los.« Nun hatte meine Stimme jeglichen Klang verloren. Jegliche Überzeugung.
    Irgendwie waren wir beide am Boden. Er packte mich, zog mich fest an sich, und ich war zu erschüttert, mich zur Wehr zu setzen.
    »Ich dachte, du würdest nicht mit mir kommen, wenn ich es dir sage. Oder du würdest weglaufen. Ich weiß, das war falsch, Ember, und es tut mir leid, aber ich musste dich erst in Sicherheit bringen. Ich wollte es dir sagen, wenn wir dort sind.«
    Er sprach die Wahrheit, das verriet mir sein gequälter Gesichtsausdruck.
    Meine Mutter war tot.
    Brüllender Schmerz machte sich an zwei Punkten in mir bemerkbar, hinter meiner Stirn und mitten im Bauch. Eisige Messer

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