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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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durchbohrten mich an beiden Stellen. Stachen auf mich ein, bis ich blutete. Bis mein Innerstes nach außen gekehrt war.
    Ich konnte sie hören. Konnte ihre Stimme hören. Ember. Sie rief meinen Namen. Wie konnte sie tot sein, wenn ich sie doch so deutlich hören konnte?
    »Es tut mir so leid«, wiederholte er immer wieder. »Ich wollte dich nicht verletzen. Ich wollte dich nur in Sicherheit bringen. Es tut mir so leid.«
    Er war mir zu nahe. Bedrängend. Ich stieß ihn weg.
    »Geh weg«, ächzte ich.
    »Was soll ich tun?«, fragte er mich verzweifelt. »Ich weiß nicht, was ich tun soll.«
    »Was ist mit meiner Mutter passiert?«, wollte ich wissen.
    Er zögerte. Freiwillig würde er es mir nicht sagen.
    »Ember, sie ist tot. Das ist alles, was du wissen musst.«
    »Sei kein Feigling.«
    »Okay. In Ordnung.«
    Er kniete sich vor mich, die Arme um den eigenen Leib geschlungen. Seine Schultern bebten, und Schweißperlen rannen über seine Schläfen.
    »Die Kämpfe haben mich nicht gebrochen, also brauchten meine Vorgesetzten etwas anderes. Tucker hat ihnen Briefe gezeigt. Briefe, die ich dir geschrieben hatte. Ich dachte, sie wären verschickt worden, aber … er hatte sie gesammelt. Sie erfuhren, wer du bist und dass ich mich nicht von dir abgewandt hatte, wie es von mir erwartet wurde. Daraufhin sagten sie mir, ich müsse mich fügen, oder …  Gott. Oder sie würden dir wehtun. Also habe ich einen Handel geschlossen. Keine Kämpfe mehr, keine Ember mehr. Und sie wollten mich befördern, um den anderen zu zeigen, dass das System immer siegt. Ich habe getan, was immer sie verlangt haben. Ich dachte, es würde funktionieren und sie würden dich in Ruhe lassen, aber es hat nichts genützt.
    Es war meine letzte Prüfung. Sie haben dich benutzt, um mich zu brechen.
    Wir haben deine Mom zu einem Stützpunkt in Lewisburg gebracht, zusammen mit all den anderen Artikel-5-Fällen im Staat. Sie wurde in eine Arrestzelle gesteckt. Der Kommandant meiner Einheit, Bateman – er war sauer wegen dem, was bei dir passiert ist. Weil ich Befehle missachtet hatte und aus dem Wagen ausgestiegen war. Er hat gesagt, ich wäre aus der Reihe getanzt. Als Soldat wäre ich ein Versager. Und er hat mich dem Kommando gemeldet.«
    An dieser Stelle brach er ab und beugte sich über seine Knie, als könnte er sich jeden Moment übergeben.
    »Weiter«, forderte ich, obwohl ich ihn bei all dem Geschrei in meinem Hirn kaum verstehen konnte.
    »Sie haben mich vor den Disziplinarausschuss gebracht. Mein kommandierender Offizier war auch da. Er hat mir gesagt, es sei Zeit, dass meine Ausbildung Wirkung zeigt, und ich könne es immer noch eines Tages bis zum Captain bringen. Er hat mir erklärt, ich könne mich freikaufen , wenn ich … wenn ich die Gefangenen exekutiere, angefangen mit deiner Mutter. Ich habe nein gesagt. Ich bin nur Fahrer. Ich mache Transporte. Ich habe ihm gesagt, er soll mich rausschmeißen. Mich unehrenhaft entlassen.«
    Wieder schlug sich Chase auf das Bein. Ich weinte leise.
    »Er hat gesagt, ich solle Befehle befolgen. Wenn ich es nicht täte, würde es eben jemand anderes tun. Und dass sie dich aus der Schule holen und das Gleiche mit dir machen würden. Ich wusste nicht, was ich tun soll. Ehe ich es mich versah, hat Tucker mich schon zur Arrestzelle begleitet, und ich hatte eine Waffe in der Hand.«
    Ich wollte ihn anschreien, er solle aufhören, aber ich musste es hören. Ich musste es wissen. Ungehindert rannen die Tränen über mein Gesicht.
    »Deine Mom. Gott. Sie hat geweint. Ihr Hemd war ganz nass. Sie hat mich gesehen, und sie hat gelächelt, und sie ist zu mir gelaufen, hat meine Jacke mit beiden Händen festgehalten und gesagt: ›Gott sei Dank, dass du hier bist, Chase.‹ Und dabei war ich da, um sie umzubringen.
    Ich habe die Waffe hochgenommen, und sie ist zu einem Stuhl zurückgewichen, hat sich hingesetzt und mich angesehen. Nur angesehen. Für eine Sekunde dachte ich, ich würde es tun. Ich müsste. Aber es ist nichts passiert. Mein kommandierender Offizier war direkt hinter uns. Er hat gesagt, ich solle den verdammten Abzug durchziehen oder ich würde zusehen müssen, wie sie dich umbringen. Deine Mom hat gehört, was er gesagt hat. Sie hat die Waffe in meiner Hand gepackt, sich zu mir gebeugt und mir gesagt, dass ich dich suchen und mich um dich kümmern soll, wo immer du auch bist. ›Mein Baby‹ hat sie dich genannt. Sie hat mir gesagt, ich solle keine Angst haben. Sie hat mir gesagt, ich solle keine

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