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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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berührten. Doch da packten sie meine Schultern. Meine Hüften. Ich schrie.
    In diesem Moment klopfte es an der Tür.
    Die Wachen warteten auf Brocks Anweisungen. Die drehte den Kopf ruckartig und sichtlich verärgert zur Seite.
    Randolph steckte den Kopf herein.
    »Was wollen Sie?«, blaffte sie ihn an.
    »Sorry, Ma’am. Ich dachte, ich sollte Sie informieren, dass ein Transportfahrer aus Illinois eingetroffen ist. Er will sie zum Prozess bringen.«
    Mehrere Herzschläge vergingen, bis mir aufging, dass er von mir sprach.
    Brock und ich müssen das Gleiche zugleich gedacht haben. Es gab keine Prozesse wegen Artikelverstößen mehr. Es ist über einen Monat her, seit ein Soldat hier war, um eine Zeugin zu holen , hatte Rebecca gesagt. Hatte Sean sich womöglich verhört?
    Mein Blut gefror zu Eis. Es schien einfach unmöglich, dass das Leben mir so eine Illusion bescherte. Aber wenn es doch wahr war, konnte es nur einen Prozess geben, zu dem man mich beordern würde. Den gegen meine Mutter. Ich versuchte, das Gefühlsdurcheinander zu ordnen – da war Freude, dass ich sie vielleicht bald sehen würde, Furcht, denn das bedeutete, dass sie immer noch unter Arrest stand, pure Erleichterung über die Unterbrechung.
    »Ich dachte, die beseitigen die so«, sagte Brock verärgert.
    »In gewissen Fällen gibt es immer noch einen Prozess, Ma’am«, sagte eine leise, vertraute Stimme von draußen. Mein Unterkiefer klappte herab, und mein Herz donnerte in meinem Brustkorb.
    Einen Augenblick später betrat Chase Jennings den Raum.

Er kam mir größer und kräftiger vor als früher, sogar größer und kräftiger als zu der Zeit, als er Soldat geworden war. Vielleicht lag es an der niedrigen Decke in der Hütte oder an meiner übrigen Gesellschaft. Randolph war nur einige Zentimeter größer als ich mit meinen eins zweiundsechzig, und Brock lag genau zwischen uns. Chase überragte uns alle mit gut eins neunzig.
    Sein Gesicht war ausdruckslos, die Augen nichtssagend. Nachdem ich den Schreck überwunden hatte, den mir sein Auftauchen bereitet hatte, wünschte ich mir mehr als alles andere, dass er die Wahrheit gesagt hatte. Dass er gekommen war, um mich zum Prozess zu bringen, um mich aus diesen Mauern zu holen und zu meiner Mutter zu bringen.
    Chase zog ein zusammengefaltetes Formular aus der Brusttasche und reichte es Brock. Sie riss es ihm aus der Hand und las, so schien es mir, mehrere Minuten lang.
    »Wann müssen Sie los?«, fragte sie säuerlich. Meine Augen huschten zu den Wachen vor mir, und ich schlang die Arme fester um meine Brust. Ich musste sofort hier weg. Ich konnte nicht warten, um herauszufinden, was die mir antun würden.
    »Sofort. Der Prozess findet morgen in Chicago statt«, sagte Chase.
    Besorgt, mein Gesicht könnte mich verraten, wandte ich mich ab. Von all ihren Soldaten hatten sie ausgerechnet Chase herschicken müssen. Den Mann, dem ich es verdankte, dass ich hier war. Würde ich ihn jetzt ansehen, würde irgendjemand bestimmt das Gefühl, verraten worden zu sein, erkennen und die unzähligen Fragen, die sich in meiner Miene niederschlagen mussten. Und, und das war noch schlimmer, meinen verzweifelten Wunsch, so schnell wie möglich zu ihm in den Wagen zu steigen und von hier zu verschwinden.
    Brock seufzte ärgerlich. »Bei Artikel 5 reicht Ms Millers bloße Existenz, um die biologische Mutter zu verurteilen. Wozu also der Prozess? Das ist bei diesem Vergehen höchst ungewöhnlich.«
    Ich zwang mich zu atmen. Was wollten die MM dann von mir? Sollte meine Gegenwart ihnen den Beweis liefern, den sie brauchten, um sie zu verurteilen? Ich hatte keine Ahnung, was dieser Prozess oder die Strafzumessung beinhaltete, aber ich empfand das dringende Bedürfnis, so schnell wie möglich dorthin zu kommen.
    »Ich habe nur diese Vorladung und den Transportbefehl«, sagte Chase mit ruhiger Stimme.
    Eine ganze Minute lang herrschte atemlose Stille. Das einzige Geräusch, das ich wahrnehmen konnte, war mein eigener Puls, der in meinen Ohren dröhnte.
    »Also gut«, nickte Brock widerstrebend. »Aber ich genehmige aufgrund von Ms Millers Unfähigkeit, da zu bleiben, wo sie hingehört, nur eine Außenübernachtung.«
    Zum ersten Mal streiften mich Chases Augen. Ich schaute ihn immer noch nicht an, aber ich konnte seinen starren, emotionslosen Blick spüren. Ich drückte den Rücken durch, versuchte, meine Angst zu verbergen. Ich musste von jetzt an einen kühlen Kopf bewahren.
    »Ist sie deswegen hier?«, fragte er matt.

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