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Artikel 5

Artikel 5

Titel: Artikel 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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zurück.
    Ich komme nie zurück , versprach ich mir. Niemals.
    »Es ist ihretwegen, nicht wahr? Wegen meiner Mutter. Geht es ihr gut?«
    Ein Schatten breitete sich über sein Gesicht aus. »Still. Wir sind gleich am Tor.«
    Ich musterte ihn finster. Momentan hörte uns niemand zu, warum also sprach er nicht mit mir?
    Als die Straße in einen Kiesweg überging, wurden wir langsamer, und gleich darauf kam ein Kontrollposten in Sicht. Er bestand aus einem kleinen Ziegelgebäude, das sich rechts an den Straßenrand schmiegte. Dahinter sah ich einen hohen Stahlzaun mit einem Sicherheitstor. Die unheilvolle Einfassung erstreckte sich bis in die Wälder um uns herum.
    Beinahe geschafft. Beinahe frei.
    Chase bremste, hielt an und kurbelte die Scheibe auf der Fahrerseite runter. Ein Wachmann lehnte sich, auf die Ellbogen gestützt, aus dem Fenster des Postens und setzte eine finstere Miene auf, als er mich erblickte. Er verschwand für einen Moment und kam mit einem Klemmbrett zurück.
    »Sind die Papiere unterschrieben?«, fragte er Chase und blätterte die Seiten um. Er hatte eine kahle Stelle ganz oben auf dem Kopf. Sein Namensschild wies ihn als BROADBENT aus.
    Ich drückte den Rücken durch. Diesen Namen kannte ich seit dem Anruf, den ich in der Ambulanz gemacht hatte. Ich starrte stur nach vorn zu dem geschlossenen Tor, als Chase Broadbent meine Vorladung zeigte. Er kritzelte etwas auf das Klemmbrett.
    »Walters«, rief er in das Häuschen hinein. »Kontrollier den Wagen, damit sie weiterfahren können, wenn ich fertig bin. Scheiße auch, ihr fahrt direkt durch, was?«
    »Schätze schon. Eure Direktorin genehmigt nicht mehr als eine Nacht«, sagte Chase. Ich schwieg derweil.
    Walters, der garantiert ein Verdienstabzeichen der Pfadfinder sein Eigen nannte, öffnete meine Tür und tastete mit den Händen unter dem Sitz herum. Ich bemühte mich, die Ruhe zu bewahren. Er knallte die Beifahrertür zu und öffnete die Schiebetür, um die leere Ladefläche zu überprüfen.
    »Alles klar«, brüllte Walters und schloss die Tür.
    »Dann mal viel Glück mit der da«, sagte Broadbent zu Chase und deutete mit einem Nicken in meine Richtung.
    Ich wäre vor Schreck beinahe aus der Haut gefahren, als die Sirene des automatischen Toröffners losplärrte. Mit einem Ruck öffneten sich die Flügel des Tors.
    Chase trat aufs Gas. Und die Besserungs- und Resozialisierungsanstalt für Mädchen von West Virgina blieb hinter uns zurück.
    Ich war draußen. Fort von der Hütte und von Brock, von den bedrohlichen Soldaten und dem Statutenuntericht. Alles in mir wollte Chase zur Seite schubsen und das Gaspedal durchtreten, aber ich wusste, das war unmöglich.
    Ich war draußen. Aber nicht frei.
    Ich sah mich zu meinem Fahrer um. Seine Miene war so eisern wie vor dem Haus meiner Mutter. Das war nicht der Chase, den ich mir im Wald vorgestellt hatte, in den Sekunden, in denen ich gedacht hatte, Randolph würde abdrücken. Dies war der Soldat, und ich war immer noch eine Gefangene. Unbewusst zerrte ich an meinen Fesseln, wodurch meine nach wie vor wunden Hände noch empfindlicher wurden.
    Wir verließen die kurvenreiche Straße außerhalb der Einrichtung und fuhren auf dem Highway weiter. Das Gebiet war geräumt worden. Keine liegen gebliebenen Fahrzeuge, keine riesigen Schlaglöcher. Offensichtlich war dies eine Strecke, die vom Militär viel frequentiert wurde. Die MM bezahlten nur die Reparaturen der Straßen, die sie besonders häufig nutzten.
    Unterwegs trafen wir auf immer mehr Militärfahrzeuge. Ein blauer Van raste vorbei, dann etliche Streifenwagen und ein Bus voller verängstigt aussehender neuer Bewohnerinnen, die keine Ahnung hatten, was sie erwartete, und bei jeder dieser Begegnungen krampfte sich mir der Magen zusammen. Wäre ich gestern Nacht entkommen, hätte ich es doch nie geschafft, mich an all diesen Soldaten vorbeizuschleichen. Inzwischen hätte man mich längst niedergeschossen und im Straßengraben verbluten lassen.
    Das Funkgerät quiekte, und ich zuckte zusammen. Gereizt schaltete Chase es aus. Ohne das beständige Brummen des Geräts war es unheimlich still im Van.
    Ich warf einen Blick auf den Tacho. Exakt fünfundsechzig Meilen in der Stunde. Was für ein braver Soldat.
    »Wie lange dauert es, bis wir da sind?« Ich gab mir Mühe, nicht zu ungeduldig zu klingen.
    Er antwortete nicht, sondern konzentrierte sich ausschließlich aufs Fahren.
    »Ich erzähle es niemandem, wenn du mit mir sprichst«, versprach

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