Arto Ratamo 7: Der Finne
den Mund, um noch weiter nachzufragen, da klingelte sein Handy ohrenbetäubend laut. Er meldete sich, schnappte nach einem kurzen Gespräch sein Jackett, das über der Stuhllehne hing, und marschierte zur Tür. »Man bittet mich aus Helsinki um Hilfe, ich gehe aufeinen Sprung bei der Polizei vorbei. Fühl dich wie zu Hause.«
Ratamo dankte im Stillen Riitta Kuurma, die er in seiner SMS vorhin gebeten hatte, dafür zu sorgen, dass Naukkarinen sein Büro verließ. Er musste in Ruhe arbeiten können. Zunächst legte er sich eine Blutdrucktablette auf die Zunge, trank ein Glas Wasser und stopfte sich als Nachtisch einen Nikotinkaugummi in den Mund. Das ständige Gekaue war nicht nur eine Belastung für die Kiefermuskulatur, sondern es ging ihm allmählich auch auf die Nerven. Jetzt würde er Ketonen anrufen.
Schon nach dem ersten Klingeln meldete sich der Exchef der SUPO. Im Hintergrund hörte man Nelli lauthals im Wasser planschen und einen Hund bellen.
»Bei euch sind die Ferien anscheinend im vollen Gange.« Ratamos Bemerkung klang neidisch. Auch er würde jetzt entweder die Zehen oder den Angelhaken ins Meer halten, wenn Ketonen ihn nicht dazu überredet hätte, Eerik Sutelas Kindermädchen zu spielen.
»Im Gegenteil. Heute muss Holz gehackt, das Schilf am Ufer geschnitten und der Komposthaufen umgesetzt werden.«
»Am Sonnabend hast du noch geklagt, dein Kreuz würde stärker schmerzen als je zuvor«, erwiderte Ratamo erstaunt.
Ketonen musste lachen: »Na ja, ich mache das ja nicht selbst. Aber irgendjemand muss schließlich den jungen Leuten von nebenan auf die Finger schauen. Sie haben mir durch Erpressung einen Stundenlohn von einem Euro abverlangt. Die Jugend von heute hat keinerlei Vorstellung vom Wert des Geldes und …«
»Man hat in Petsamo auf uns geschossen«, sagte Ratamo, und Ketonen verstummte. Ganz ruhig erzählte Ratamo ihm alles, von den neuen Informationen über Forsman und Sutela und den Ereignissen in Jäniskoski, überden Brief aus der Teufelskirche bis hin zu ihrer Flucht nach Finnland.
In der Leitung waren für einen Augenblick nur Nellis Rufe und ihr Planschen zu hören.
»Habe ich das jetzt richtig verstanden?«, Ketonen wählte die Worte mit Bedacht. »Forsmans Pflegerin wurde mit einem russischen Militärmesser umgebracht, und das zur gleichen Zeit, als er selbst verschwand. Forsmans Sohn ist Fachmann auf dem Gebiet der forensischen Archäologie, und sein Schwiegervater arbeitet beim britischen Geheimdienst. Und Sutela hat ein Dokument gefunden, in dem von Garantien der finnischen Unabhängigkeit, von Lenins Frau und weiß der Henker wovon sonst noch die Rede ist, aber die Russen haben es geklaut. Worum geht es hier eigentlich, verdammt noch mal?«
Ratamo betrachtete das Foto der Präsidentin an der Wand und nickte. »Ich schätze, Forsman und Sutela, Vater und Sohn, wissen etwas, wovon wir keine Ahnung haben. Irgendwo könnte es tatsächlich ein historisches Dokument geben, das ›Schwert des Marschalls‹ genannt wird und das Russland an sich bringen will. Nach Sutelas Auffassung befindet es sich in Rapola, in der Nähe von Valkeakoski. Vielleicht folgen die Russen Sutela, für Profis ist das lächerlich einfach, wie du selbst am besten weißt. Oder Otto Forsman hat den Verstand verloren und jagt uns durch die Gegend, damit wir seinen Phantasiegebilden hinterherlaufen.« Als Ratamo seine Verdachtsmomente zusammengefasst hatte, berichtete er Ketonen das Wenige, was er von Forsmans psychischen Problemen wusste.
»Ich erinnere mich, dass von Ottos Schwierigkeiten damals die Rede war, aber niemand hat sie richtig ernst …«
Plötzlich verstummte Ketonen, und in der Leitung herrschte Schweigen. Ratamo wollte das Gespräch schon abbrechen, da räusperte sich Ketonen endlich. »Markettawar hier und hat gesagt, das Essen stehe auf dem Tisch. Ich muss jetzt gehen, sonst bekomme ich nichts.«
»Was meinst du, sollte man diese Ereignisse in Jäniskoski untersuchen?«, fragte Ratamo.
»Wenn du das der SUPO oder der Kriminalpolizei in Helsinki erzählst, setzt du sofort ein großes Mahlwerk in Gang. Das Außenministerium dreht womöglich durch und fordert von Russland eine offizielle Erklärung. Ihr drei werdet euch für den illegalen Grenzübertritt verantworten müssen, und du vor allem kannst deswegen Schwierigkeiten bekommen. Ehe sich herausgestellt hat, was wahr ist und was nicht, sollte man vielleicht aufpassen, dass aus so einer heiklen Sache keine Sensationsmeldung
Weitere Kostenlose Bücher