Arto Ratamo 7: Der Finne
Informationen. Ihm fielen die Worte von General Korolkow ein:
»Dieser Befehl kommt von allerhöchster Ebene.«
»Haben die Finnen uns mit irgendetwas erpresst? Hast du Hinweise auf den Inhalt dieses Dokuments gefunden?«
Olga Gusarowa seufzte. »Nur noch mehr vage Andeutungen, wie gefährlich es für Russland ist. Und wir haben das Archiv schon bis 1955 durchforstet. Aber die Antwort könnte auf einem anderen Weg gefunden werden: Unsere Leute in Helsinki machen bei der Suche nach Otto Forsman Fortschritte. Sie haben gestern Abend Forsmans Anwältin unter Druck gesetzt und glauben nun zu wissen, in welcher Gegend Helsinkis sich der alte Mann versteckt.«
»Gute Arbeit, Olga. Mach weiter so, dann wirst du eines Tages als erste Frau Leiter des Ermittlungsdirektorats. Wir müssen in nächster Zeit mal einen Abend zusammensitzen und für dich einen richtigen Karriereplan ausarbeiten. Man könnte irgendwo ein Zimmer reservieren, zusammen essen und … so weiter.« Jarkow beendete das Gespräch, ohne Olgas Antwort abzuwarten, und stand auf, um sich einen Tanker anzuschauen, der das Meer durchpflügte. An seinen Flanken blühte der Rost. In Murmansk gab es anscheinend nichts Schönes.
Schon allein bei dem Gedanken, was das »Schwert des Marschalls« womöglich alles enthielt, wurde ihm angst und bange. Die wildesten Gerüchte deuteten an, dass es das Attentat auf Lenin aufdeckte und beschrieb, wie der Staat bei der Entwicklung neuer Waffen Millionen Russen abschlachtete.Welche Geheimnisse waren so furchteinflößend, dass ein Zwergstaat wie Finnland sie als Waffe gegen die Sowjetunion einsetzen konnte? Wie war es möglich, dass niemand etwas Genaues über das »Schwert des Marschalls« wusste, nicht einmal der FSB-Chef? Und wie, zum Teufel, war Otto Forsman in den Besitz dieses Dokuments gelangt? Oder jagte er doch bloß Gespenster? Vielleicht war Forsman wirklich verwirrt und hatte sich alles nur ausgedacht, was in den Briefen stand.
Die Gesichter Valentinas und Mischas tauchten vor ihm auf, noch nie hatte ihn seine Arbeit so angewidert wie gerade jetzt. Warum hatte er damals nicht auf seine Brüder gehört und einen Beruf erlernt, in dem man sein eigener Herr sein durfte? Wenn das »Schwert des Marschalls« wirklich existierte und jemand anderem als dem FSB in die Hände fiel, würde er seinen Posten und vielleicht noch viel mehr verlieren.
Die Suche nach Otto Forsman musste weiter intensiviert werden, der Mann war nicht spurlos verschwunden. Noch nicht.
14
Jyväskylä, Mittwoch, 9. August
Eerik Sutela saß auf dem Bett im Hotelzimmer, fingerte an seinem Brillengestell herum und versuchte mit aller Macht, nicht an den nackten Körper Tarus zu denken, die sich im Bad wusch. Seine Selbstbeherrschung wurde auf eine harte Probe gestellt, denn seine Phantasie wollte unbedingt die Wand zwischen ihnen niederreißen. Sie hatten im Hotel »Jyväshovi« für ein paar Stunden ein Zimmer genommen, um sich die Anstrengungen des Waldmarathons in Lappland vom Körper zu spülen, und Taru durfte natürlich als Erste duschen. Sutela nahm sich vor, nichts zu versuchen. Wenn er jetzt tatsächlich nach all seinen Misserfolgen jemanden gefunden haben sollte, dann wollte er die Sache nicht durch übertriebene Eile verderben. Er hatte schon oft genug einen Schuss vor den Bug bekommen.
In den frühen Morgenstunden hatten sie in Ivalo beschlossen, lieber die tausend Kilometer nach Rapola mit Tarus kleinem Kombi zu fahren, als in Ivalo untätig herumzusitzen und auf den Abendflug nach Helsinki zu warten. Die Maschine landete erst kurz vor 22 Uhr in der Hauptstadt, und nach den Vorbereitungen und der Autofahrt wären sie erst gegen Mitternacht in Rapola angekommen. So aber würden sie ihr Ziel schon am Abend erreichen.
Sutelas Gedanken kreisten wieder um Tarus kurvenreichen Körper. Er stand rasch auf, ging ans Fenster und überlegte zum hundertsten Male, ob es möglich war, dass die Behauptungen seines Vaters in dem Brief stimmten. Hatteder Alte noch ein zweites Leben geführt, das ganz anders war als jenes, das er kannte?
Die Badezimmertür öffnete sich. Sutela drehte instinktiv den Kopf und erblickte gerade noch ein Stück vom Himmel, bevor Taru ihren Bademantel richtig zuband. Er fürchtete, der Anblick würde nicht so leicht wieder von seiner Netzhaut verschwinden.
»Du bist dran«, sagte Taru und stellte sich vor den Spiegel, um ihre langen Haare zu bürsten, die nass einen Deut dunkler wirkten. Der dünne Bademantel betonte
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