Arto Ratamo 7: Der Finne
ihre Körperformen. Es sah so aus, als strotzte sie vor Energie, obwohl der entkräftende Marsch durch die Einöde noch nicht einmal vierundzwanzig Stunden zurücklag.
Sutela zog seine Sachen bis auf die Boxershorts mühsam aus. Seine Muskeln schmerzten, und der Rücken war ganz steif. Rasch machte er ein paar Schritte in Richtung Bad und blieb dann stehen, denn er hatte nicht genug Platz, um an Taru vorbeizugehen. Er legte seine Hand auf ihren warmen Nacken mit einem Hauch von Feuchtigkeit, und sie wandte sich ihm zu.
Sutela neigte den Kopf und näherte sich ihrem Gesicht, ehe er einen klaren Gedanken fassen konnte. Ihre Lippen waren nur noch einen Fingerbreit voneinander entfernt, als er auf seinen Schultern den abwehrenden Druck ihrer Hände spürte.
»Vielleicht sollten wir das nicht tun. Noch nicht«, sagte Taru. »Ich habe das Gefühl, dass du den Tod deiner Frau noch nicht überwunden hast.«
Sutela nickte und bereute seinen plumpen Annäherungsversuch. »Vermutlich hast du recht. Aber heißt es denn nicht, dass man eine alte Liebe nur durch eine neue vergessen kann? Marissa war über zwei Jahre krank, bevor sie … Und seit der Beerdigung sind auch schon etwa zwei Jahre vergangen. Es kommt mir so vor, als ob ich …«
»Auch Leo ist gestorben. Bei einem Autounfall«, erwiderte Taru. »Das kam so überraschend, dass es eine Weile gedauert hat, bevor ich überhaupt begriffen habe, was passiert ist. Solche Erlebnisse zu überwinden braucht seine Zeit. Und ich bin außerdem ein Mensch, der sich nicht so schnell anderen öffnet.«
»Wir haben ja keine Eile.« Sutela löste sich von ihr und trat ins Bad. Ihm war klar, dass er nie eine andere Frau finden würde, mit der er so vieles gemeinsam hatte.
Durch die zehnstündige Fahrt von Ivalo nach Jyväskylä waren Ratamos ohnehin schmerzende Beine so steif geworden, dass er wie ein Cowboy lief, der Gewichtheben trainierte. Und das, obwohl er auf dem Rücksitz ein paar Stunden hatte schlafen können, nachdem er einen Teil der Strecke selbst gefahren war. Jetzt wollte er ins Büro der SUPO in Jyväskylä gehen, um im Intranet der Polizei seine Teampost zu lesen und auch ein paar andere dienstliche Dinge zu erledigen. Die Reise mit Sutela schien sich in die Länge zu ziehen, aber nun waren sie zumindest auf dem Weg zurück nach Helsinki. Ratamo überlegte, ob dieses Schwächegefühl und das Rauschen in den Ohren von der Müdigkeit oder vom hohen Blutdruck herrührten.
Er ging die Vapaudenkatu entlang, bog in die Urhonkatu ein und war für einen Augenblick von der Größe des Polizei- und Gerichtsgebäudes von Jyväskylä überrascht. Dann riss er die Glastür des Polizeipräsidiums auf und hörte eine wütende Stimme, die durchs Foyer hallte.
»Hier ist das Rauchen verboten«, erklärte ein junger Polizist einem in Leder gekleideten Biker, der schwankend auf einem Stuhl saß und sich mit unsicheren Fingern eine Zigarette drehte.
Der knallharte Typ mit einem Kopftuch reagierte auf den Befehl überhaupt nicht, sondern steckte sich die Selbstgedrehtein aller Seelenruhe zwischen die Lippen und holte schweigend Streichhölzer aus der Tasche.
»Hier darf man nicht rauchen!« Die Stimme des Polizisten wurde noch lauter.
»Na, dann geh doch woandershin«, erwiderte der betrunkene Motorradfahrer, zündete seine Zigarette an und sorgte dafür, dass sich der Polizist in Bewegung setzte.
Ratamo zeigte an der Wache seinen Dienstausweis, fragte, wo sich das Büro der Sicherheitspolizei befand, und ging zum Aufzug. Er musste schmunzeln, als noch ein zweiter Polizist herbeigestürzt kam, um den aufmüpfigen Biker zu bändigen.
Wenig später stand Ratamo vor der Tür des SUPO-Büros. Bevor er anklopfte und eintrat, schickte er Riitta Kuurma eine SMS nach Helsinki.
Der Chef des Büros in Jyväskylä tauchte wie aus dem Nichts auf und zog seine Krawatte straff. »Seppo Naukkarinen, grüß dich. Du bist sicher Ratamo.«
»Ihr habt hier angenehme Räumlichkeiten«, sagte Ratamo, während sie sich die Hand gaben.
»Sind so wichtige Ermittlungen im Gange, dass du es nicht fertigbringst, Urlaub zu machen?«, erkundigte sich Naukkarinen.
Auf neugierige Fragen war Ratamo vorbereitet. Naukkarinen hatte schon bei ihrem Telefonat mit ungewöhnlicher Beharrlichkeit versucht, ihn auszuquetschen.
»Nur ein paar Routinedinge am Computer. Die Jungs von der Überwachung haben ein paar Fragen zu einem Typ, über den ich im Frühjahr eine Akte angelegt hatte.«
Naukkarinen öffnete
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