Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
Fall.
Am ersten Abend ankerten wir in der Bucht einer Insel. Draußen vor der Bucht donnerte das Meer, während an Land eine Bande zerlumpter Männer laut schreiend Drohungen ausstieß und gelegentlich ein paar schwächliche Pfeile abschoß, die weit von unseren drei Schiffen entfernt ins Wasser klatschten. Unser Schiffsführer fürchtete, daß es ein Unwetter geben würde, und opferte ein Zicklein, das für diesen Zweck mitgeführt worden war. Er besprengte den Bug seines Schiffes mit dem Blut des sterbenden Tieres, und tatsächlich hatte der Sturm sich gegen Morgen beruhigt. Allerdings hatte sich statt dessen ein dicker, grauer Nebel über das Wasser gelegt. Da keiner der Schiffsführer in diesem Nebel hinaussegeln wollte, warteten wir einen ganzen Tag und eine ganze Nacht, um dann unter klarem Himmel südwärts zu rudern. Es wurde ein langer Tag. Wir umschifften ein paar furchterregende, von den Gerippen gestrandeter Schiffe gekrönte Felsen, dann glitten wir an einem warmen Abend mit sanftem Wind und steigender Flut, die beide unsere müden Ruderer unterstützten, in einen breiten Strom, wo wir unter den glückbringenden Schwingen einer Schwanenschar heil und sicher anlegten. Da in der Nähe eine Festung lag, kamen Bewaffnete ans Flußufer herunter, um uns zum Kampf herauszufordern, aber Bleiddig rief ihnen zu, wir seien Freunde. Die Männer riefen uns auf britisch
Willkommensgrüße zu. Die untergehende Sonne vergoldete die Wirbel und Strudel des Stroms. Überall roch es nach Fisch, Salz und Teer. Neben einigen auf den Strand gezogenen Fischerbooten hingen auf großen Gestellen schwarze Netze, unter den Salzpfannen loderten Feuer, Hunde liefen in den kleinen Wellen hin und her und bellten uns an, und aus den nahen Hütten kam eine Horde Kinder herbei, um zuzusehen, wie wir platschend an Land wateten. Meinen Schild mit Arthurs Bärensymbol verkehrt herum vor mir tragend, ging ich voraus, und als ich die mit Strandgut übersäte Flutlinie überquert hatte, stieß ich meinen Speer in den Sand und bat Bel, meinen Schutzgott, und Manawydan, den Meeresgott, daß sie mich eines Tages von Armorica zurückbringen möchten: an die Seite meines Lords, zu Arthur in mein geliebtes Britannien zurück.
Dann zogen wir in den Krieg.
Ich habe Männer sagen hören, daß keine Stadt, nicht einmal Rom oder Jerusalem, so schön sei wie Ynys Trebes, und es mag sein, daß diese Männer die Wahrheit sagten, denn obwohl ich die anderen Städte niemals besuchen konnte, sah ich doch Ynys Trebes, und es war in der Tat ein Ort der Wunder, eine wunderbare Stadt, die schönste Stadt, die ich je gesehen habe. Sie war auf einer steilen Felseninsel errichtet worden, die in einer weiten, flachen Bucht lag. Die Bucht mochte von Schaumkronen zerwühlt und von heulenden Stürmen heimgesucht werden, aber in Ynys Trebes war alles still und ruhig. Im Sommer flimmerte die Bucht vor Hitze, während Benoics Hauptstadt stets angenehm kühl wirkte. Guinevere wäre von Ynys Trebes begeistert gewesen, denn hier wurde alles Alte hoch geschätzt, und nichts Häßliches durfte die Schönheit der Stadt beeinträchtigen.
Natürlich waren die Römer in Ynys Trebes gewesen, aber sie hatten es nicht befestigt, sondern nur ein paar Villen auf dem Gipfel errichtet. Diese Villen gab es immer noch. König Ban und Königin Elaine hatten sie miteinander verbunden und ausgebaut, indem sie römische Gebäude auf dem Festland nach weiteren Säulen und Podesten, Mosaiken und Statuen absuchen ließen, so daß der Felsen nunmehr von einem luftigen, lichterfüllten Palast gekrönt wurde, dessen weiße Leinenvorhänge sich in jedem Windhauch, der vom
glitzernden Meer herüberkam, anmutig blähten. Am einfachsten erreichte man die Insel per Boot, obwohl es auch eine Art Damm gab, der bei Flut allerdings überspült wurde und bei Ebbe wegen der Treibsandlöcher gefährlich war. Der Damm war zwar durch Weidenruten markiert, aber die starken Gezeiten spülten die Markierungen immer wieder davon, und nur ein Tor würde es wagen, ihn zu betreten, ohne sich der Dienste eines einheimischen Führers zu versichern, der ihn durch den saugenden Treibsand und die unsicheren Siele geleitete. Bei Ebbe ragte Ynys Trebes aus einer geriffelten, von Wasserrinnen und -tümpeln durchsetzten, weiten Sandfläche empor, während die Stadt bei Flut, wenn der Wind kräftig aus Westen blies, wie ein riesiges Schiff wirkte, das sich unerschrocken durch die aufgewühlte See kämpfte. Unterhalb des
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