Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
dich eines Tages nützlich machen würdest.«
Ich dachte an das brennende Ynys Trebes und an Bans Tod.
»Ich habe Arthur enttäuscht«, klagte ich bedrückt.
»Jeder enttäuscht Arthur. Er erwartet zuviel. Und nun lauf los!«
Ich hatte vermutet, daß Lancelot und seine Mutter Elaine nach Broceliande im Westen segeln würden, um sich dort den Flüchtlingsmassen anzuschließen, die von den Franken aus Bans Königreich vertriebenen worden waren; statt dessen segelten sie gen Norden, nach Britannien. Nach Dumnonia. In Dumnonia angekommen, reisten sie nach Durnovaria. Sie erreichten es zwei volle Tage vor Merlin, Galahad und mir, so daß wir bei ihrer Ankunft nicht anwesend waren. Allerdings erfuhren wir umgehend alles darüber, denn die Stadt war erfüllt von bewundernden Berichten über die Flüchtlinge. Benoics Königsfamilie mitsamt Gefolge war mit drei schnellen Schiffen gereist, die lange vor dem Fall der Insel mit Vorräten beladen worden waren und deren Laderäume von jenem Gold und Silber überquollen, das die Franken in Bans Palast zu finden gehofft hatten. Als die Gruppe um Königin Elaine Durnovaria erreichte, war dieser Schatz längst in einem sicheren Versteck untergebracht, so daß die Flüchtlinge nun allesamt zu Fuß in die Stadt kamen, manche von ihnen ohne Schuhe, alle zerlumpt und staubbedeckt, mit Meersalz verkrustet, mit blutbesudelten Kleidern und ramponierten Waffen, die sie in den kraftlosen Händen hielten. Elaine, Königin von Benoic, und Lancelot, nunmehr König eines verlorenen Königreichs, hinkten die Hauptstraße der Stadt entlang, um wie die Ärmsten der Armen vor Guineveres Palast zu betteln. Hinter ihnen kam eine bunte Gesellschaft von Wachen, Dichtern und Höflingen, die - wie Elaine mitleidheischend behauptete - einzigen Überlebenden des Massakers. »Wenn Arthur nur Wort gehalten hätte«, jammerte sie Guinevere vor, »wenn er nur die Hälfte dessen getan hätte, was er uns versprochen hat!«
»Mutter! Mutter!« Lancelot nahm sie in den Arm.
»Ich will nur noch sterben, mein Liebling«, erklärte Elaine,
»genauso, wie es dir im Kampf fast ergangen wäre.«
Guinevere zeigte sich der Lage natürlich auf das prachtvollste gewachsen. Kleider wurden geholt, Badezuber gefüllt, Speisen gekocht, Wein eingeschenkt, Wunden verbunden, Berichte angehört, kostbare Geschenke gemacht und Arthur gerufen. Die Berichte klangen wundervoll. Sie wurden in der ganzen Stadt wiederholt, und als wir in Durnovaria eintrafen, hatten sie auch den hintersten Winkel von Dumnonia erreicht und verbreiteten sich wie ein Lauffeuer über die Grenzen hinaus, um in zahllosen britischen und irischen Festhallen erzählt zu werden. Es war eine große Heldensage: wie Lancelot und Bors das Tor mit dem Wassergeist gehalten, wie sie den Sand mit den Leichen der Feinde bedeckt und die Möwen mit den Gedärmen der Franken gefüttert hatten. Die Franken, hieß es in den Erzählungen, hätten um Gnade gefleht, weil sie den blitzenden Tanlladwyr in Lancelots Hand fürchteten, dann aber seien dort, wo Lancelot sie nicht sehen konnte, einige andere Verteidiger zurückgewichen. Der Feind war in die Stadt eingedrungen, und während der Kampf bis dahin hart gewesen war, wurde er jetzt grauenhaft. Ein Feind nach dem anderen fiel, als eine Straße nach der anderen verteidigt wurde, aber nicht einmal alle Helden der Antike zusammen hätten das Vordringen der eisenbehelmten Feinde aufhalten könnten, die von der alles einschließenden See
heraufgeströmt kamen wie Dämonen aus Manawydans
Alpträumen. Die Helden mußten der Überzahl weichen, hinterließen jedoch zu Bergen getürmte Frankenleichen; immer mehr Feinde kamen, und immer weiter mußten sich die Helden zurückziehen - bis zur Terrasse des Schlosses, wo Ban, der gute König Ban stand und den Horizont nach Arthurs Schiffen absuchte. »Sie werden kommen«, habe Ban behauptet, »denn Arthur hat es mir versprochen.«
Der König, so hieß es, habe die Terrasse nicht verlassen wollen, denn falls Arthur komme und er nicht dort sei - was würden die Leute dazu sagen? Er bestand darauf, zu bleiben und Arthur zu begrüßen. Dann aber küßte er seine Frau, umarmte seinen Erben und wünschte ihnen guten Wind bis Britannien, bevor er den Blick wieder aufs Meer richtete, um nach der Rettung Ausschau zu halten, die niemals kam. Es war eine große Saga, und als am Tag darauf festzustehen schien, daß keine Schiffe aus Armorica mehr eintreffen würden, wurde sie unmerklich
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