Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
war, unnatürlich trist und still. Als wir an einem Dreschboden vorbeikamen, hörten wir den Vorsänger »Essylts Klage«
singen statt des üblichen fröhlichen Liedes, das den Dreschflegeln einen Rhythmus vorgab. Außerdem
beobachteten wir, daß jede Villa, jedes Haus und jede Hütte seltsamerweise all ihrer Wertgegenstände beraubt zu sein schienen. Kostbare Besitztümer waren versteckt, vermutlich sogar vergraben worden, damit Gorfyddyds Eroberer die Bevölkerung nicht gänzlich ausrauben konnten. »Die Maulwürfe werden wieder reich«, bemerkte Arthur säuerlich. Arthur war der einzige, der nicht seine kostbarste Rüstung trug. »Den Schuppenpanzer hat Morfans«, erklärte er mir, als ich mich erkundigte, warum er sein Reservekettenhemd trage. Morfans war der häßliche Krieger, mit dem ich beim Festmahl nach Arthurs Ankunft auf Caer Cadarn vor so vielen Jahren Freundschaft geschlossen hatte.
»Morfans?« fragte ich erstaunt. »Womit hat der ein solches Geschenk verdient?«
»Kein Geschenk, Derfel. Morfans hat ihn sich nur ausgeborgt und ist damit in der letzten Woche tagtäglich vor Gorfyddyds Männern herumgeritten, damit sie glauben, ich sei schon dort. Möglich, daß sie deswegen ein bißchen zögern, jedenfalls haben wir bis jetzt noch keine Meldung über einen Angriff erhalten.«
Bei der Vorstellung, daß sich hinter den Wangenstücken von Arthurs Helm Morfans' häßliches Gesicht verbarg, mußte ich lachen, aber die Täuschung funktionierte vermutlich, denn als wir uns im römischen Fort Magnis mit König Tewdric trafen, hatte sich der Feind noch immer nicht aus seinen Stellungen in den Hügeln von Powys hervorgewagt.
Tewdric, der seine schöne römische Rüstung trug, sah fast aus wie ein alter Mann. Seine Haare waren grau geworden, und er ging gebückt, was ich bisher nicht an ihm gekannt hatte. Die Neuigkeiten über Aelle quittierte er mit einem Knurren, riß sich dann aber zusammen, um etwas höflicher zu antworten. »Gute Nachrichten«, sagte er kurz und rieb sich die Augen. »Obwohl Gott weiß, daß Gorfyddyd die Hilfe der Sachsen nicht nötig hat, um uns zu schlagen. Er hat mehr Männer, als er braucht.«
Das römische Fort wimmelte von Menschen. Waffenschmiede fertigten Speerspitzen, und jeder Eschenhain im Umkreis von Meilen war zum Herstellen von Schäften geplündert worden. Stunde um Stunde trafen Wagenladungen frisch
geschnittenen Getreides ein, und die Öfen der Bäcker brannten wie die Feuer der Hufschmiede so heiß, daß ständig eine Rauchwolke über den Palisadenwällen stand. Aber das versammelte Heer litt trotz der frisch eingebrachten Ernte immer noch großen Hunger. Die meisten Speerkämpfer kampierten außerhalb der Wälle, manche sogar Meilen entfernt, und stritten sich ständig um die Verteilung des hartgebackenen Brotes und der getrockneten Bohnen. Andere Truppen beschwerten sich über das Wasser, das von den Latrinen der stromaufwärts kampierenden Soldaten verunreinigt war. Es gab Krankheiten, Hunger und Desertionen - Beweis dafür, daß weder Tewdric noch Arthur sich jemals mit den Problemen hatten herumschlagen müssen, die der Oberbefehl über ein so riesiges Heer mit sich brachte. »Aber wenn wir schon Schwierigkeiten haben«, sagte Arthur optimistisch, »stellt Euch mal vor, wie es bei Gorfyddyd aussehen muß!«
»Ich hätte lieber seine Probleme als unsere«, gab Tewdric mißgelaunt zurück.
Meine Speerkämpfer kampierten - noch immer unter Galahads Befehl - acht Meilen nördlich von Magnis, wo Agricola, Tewdrics Feldherr, die Hügel im Auge behielt, die die Grenze zwischen Gwent und Powys markierten. Mein Herz schlug freudig, als ich ihre Wolfsrutenhelme wiedersah. Nach der Schicksalsergebenheit im ganzen Land tat es mir unendlich gut zu wissen, daß es hier wenigstens Männer gab, die sich niemals geschlagen gaben. Nimue, die mich begleitete, wurde sofort von meinen Männern umdrängt, damit sie ihre Speerspitzen und Schwertklingen berühre und ihnen dadurch Kraft verleihe. Selbst die Christen verlangten, wie ich bemerkte, nach ihrer heidnischen Berührung. Sie erfüllte Merlins Aufgaben, und weil man wußte, daß sie von der Toteninsel zurückgekehrt war, hielt man sie für fast ebenso mächtig wie ihren Meister.
Agricola empfing mich in einem Zelt, dem ersten, das ich je zu Gesicht bekam. Es war ein wundersames Ding, mit einem hohen Mittelpfosten und vier Eckstangen, die ein Leinendach trugen, durch das das Sonnenlicht gefiltert wurde, so daß
Agricolas
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