Artus-Chroniken 1. Der Winterkönig
meines Helms nicht erkennen konnte, daß ich nicht Arthur war, und meine Speerkämpfer umringten mich schützend. Gorfyddyd lachte über meine scheinbare Ängstlichkeit. Sein Pferd war so nah, daß meine Männer es hätten berühren können, aber Gorfyddyd ließ sich keinerlei Angst anmerken, sondern spie mich verächtlich an. »Weib!«
rief er laut - seine schlimmste Beleidigung. Dann berührte er sein Pferd mit dem linken Fuß, wendete es und galoppierte zu seinen Männern zurück.
Sagramor wandte sich zu uns um und hob die Arme.
»Zurück!« rief er. »Bis zur Barrikade zurück! Schnell, schnell!
Zurück!«
Also kehrten wir den Feinden den Rücken und machten uns davon, und als sie sahen, daß sich unsere beiden Banner entfernten, stieg ein großes Jubelgeschrei aus ihren Reihen empor. Sie glaubten, daß wir vor ihnen flohen, und lösten ihre Reihen auf, um uns zu verfolgen, aber wir hatten einen zu großen Vorsprung vor ihnen und waren längst hinter der Barrikade, als sie die Lücke in den Baumstämmen erreichten. Hinter dem Schutzzaun bildeten wir wieder eine Linie, während ich Arthurs Platz in der Mitte einnahm, wo die Straße durch die offene Lücke zwischen den gefällten Bäumen führte. Wir hatten die Lücke absichtlich offengelassen, weil wir hofften, daß Gorfyddyd dort angreifen und unseren Flanken ein wenig Ruhe gönnen würde. Nun ließ ich Arthurs beide Banner wehen und wartete auf den Angriff.
Gorfyddyd befahl seinen verwirrten Speerkämpfern brüllend, sie sollten einen neuen Schildwall bilden. König Gundleus befehligte die rechte Flanke des Feindes, Prinz Cuneglas die linke. Diese Aufteilung ließ darauf schließen, daß Gorfyddyd sich nicht von unserer offenen Lücke ködern lassen würde, sondern statt dessen auf der ganzen Linie anzugreifen gedachte. »Ihr bleibt hier!« befahl Sagramor unseren Speerkämpfern. »Ihr seid Krieger! Und das werdet ihr jetzt beweisen! Hier werdet ihr bleiben, hier werdet ihr töten, und hier werdet ihr siegen!« Morfans hatte sein verletztes Pferd ein kleines Stück den westlichen Hügelhang hinaufgeführt und blickte von dort aus das Tal entlang nach Norden, um zu sehen, ob dies der richtige Augenblick sei, ins Horn zu stoßen und Arthur zu rufen. Da aber immer noch feindliche Truppen durch die Furt nachrückten, kehrte er zu uns zurück, ohne das silberne Horn an die Lippen gesetzt zu haben.
Statt dessen ertönte Gorfyddyds Horn. Der heisere Ruf des Widderhorns führte nicht etwa dazu, daß sein Schildwall vordrang. Statt dessen löste sich ein Dutzend nackter Verrückter aus den feindlichen Linien und warf sich gegen unsere Mitte. Solche Männer haben ihre Seelen in die Hand der Götter gegeben und sich anschließend die Sinne von einer Mischung aus Met, Stechapfelsud, Alraunewurzeln und Belladonna verwirren lassen, die einem zwar die Furcht nimmt, aber im Wachen Alpträume verursacht. Diese Männer mochten wahnsinnig, betrunken und nackt sein, aber sie waren auch gefährlich, denn sie kannten nur ein einziges Ziel - die Befehlshaber des Feindes niederzumachen. Also stürzten sie, vor dem Mund den Schaum der Zauberkräuter, die sie gekaut hatten, die Speere hoch erhoben, auf mich zu, fest entschlossen, mich zu durchbohren.
Meine Wolfsruten-Speerkämpfer gingen vor, um sich ihnen zu stellen. Der Tod kümmerte die nackten Männer nicht. Sie warfen sich meinen Kriegern entgegen, als hießen sie deren Speerspitzen willkommen. Einer meiner Männer wurde zurückgetrieben, während ein nackter Wilder mit seinen Fingern nach seinen Augen krallte und ihm ins Gesicht spie. Issa tötete die Bestie, einem anderen jedoch gelang es, einen meiner besten Männer zu töten: Laut kreischte er seinen Sieg hinaus, breitbeinig dastehend, beide Arme erhoben, den blutigen Speer in der blutigen Hand, und alle meine Männer glaubten, die Götter hätten uns verlassen, doch Sagramor schlitzte dem nackten Mann den Bauch auf und trennte ihm mit einem Hieb nahezu den Kopf vom Rumpf, bevor der Leichnam auch nur den Boden berührte. Sagramor spie auf den nackten, ausgeweideten Körper, dann spie er abermals in Richtung des feindlichen Schildwalls. Und als dieser Wall sah, daß unsere Frontlinie durcheinandergeraten war, griff er an. Unsere hastig wiederformierte Mitte drohte zu brechen, als die Masse der Speerkämpfer gegen sie anging. Die dünne Reihe meiner Männer, die quer über der Straße stand, bog sich durch wie ein junger Baum, schaffte es aber irgendwie, standzuhalten.
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