Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
es sich um eine schöne Flußlandschaft an unserer südlichen Grenze, ein fruchtbares, üppiges Terrain, das sich von den Hochmooren bis zum Meer erstreckte. Dieses Land hatte Melwas gehört, dem belgischen Vasallenkönig, den Arthur zur Strafe nach Isca verbannt hatte. Der Verlust des Territoriums traf uns hart, denn dadurch gelangte Cerdic in die Nähe der reichen Landgüter um Durnovaria, und seine Schiffe waren nur wenige Minuten von Ynys Wit entfernt, der großen Insel unmittelbar vor unserer Küste, die die Römer Vectis genannt hatten. Seit einem Jahr überfielen Cerdics Sachsen nun Ynys Wit immer wieder gnadenlos, und die Bewohner der Insel baten Arthur dauernd um mehr Speerkämpfer, um ihre Besitzungen zu verteidigen.
»Dieses Land sollten wir zurückfordern«, bestätigte Sagramor. Er hatte Mithras für die gesunde Rückkehr seiner jungen Sächsin gedankt, indem er im Londoner Tempel des Gottes ein erobertes Schwert niederlegte.
»Ich möchte bezweifeln, daß Cerdic Frieden geschlossen hat, um Land abzugeben«, warf Meurig ein.
»Und wir sind nicht ausgezogen, um Land abzugeben«, gab Arthur sehr verärgert zurück. »Bitte, vergebt mir«, fuhr Meurig fort, und ein leises Aufstöhnen ging durch den Raum, weil er unbedingt weiterdiskutieren wollte, »aber ich dachte, Ihr hättet gesagt, nicht wahr, daß Ihr den Krieg nicht weiterführen könnt. Weil wir so weit von zu Hause entfernt sind. Und dennoch wollt Ihr für einen Landstreifen unser aller Leben aufs Spiel setzen? Ihr werdet mich hoffentlich nicht für einfältig halten« –
hier kicherte er, um zu zeigen, daß er einen Scherz gemacht hatte – »aber ich begreife nicht, warum wir das einzige Risiko eingehen müssen, das einzugehen wir uns nicht leisten können.«
»Durchaus möglich, Lord Prinz«, gab Arthur ruhig zurück,
»daß wir schwach sind. Aber wenn wir unsere Schwäche zeigen, werden wir hier sterben. Wenn wir heute vormittag zu Cerdic gehen, haben wir nicht vor, auch nur eine einzige Ackerfurche abzugeben. Wir werden unsere Forderungen stellen.«
»Und wenn er sich weigert?« fragte Meurig entrüstet.
»Dann wird es für uns ein schwieriger Rückzug werden«, räumte Arthur gelassen ein. Er schaute durch ein Fenster, das auf den Innenhof führte. »Wie es scheint, sind unsere Feinde für uns bereit. Wollen wir gehen?«
Merlin scheuchte die Katze von seinem Schoß und nahm seinen Stab zu Hilfe, um aufzustehen. »Es stört Euch doch nicht, wenn ich nicht mitkomme?« fragte er. »Ich bin zu alt, um einen Tag voller Verhandlungen durchzustehen. All dieses großmäulige Gerede und dieser Zorn.« Er klopfte sich die Katzenhaare vom Gewand und wandte sich dann plötzlich an Dinas und Lavaine. »Seit wann«, fragte er sie mißbilligend,
»tragen Druiden Schwerter und dienen Christenkönigen?«
»Seit wir beschlossen haben, das zu tun«, antwortete Dinas. Die Zwillinge, die fast so hochgewachsen waren wie Merlin, aber wesentlich kräftiger, forderten ihn mit ihren starren Blicken heraus.
»Wer hat euch zu Druiden gemacht?« fragte Merlin.
»Dieselbe Macht, die Euch zum Druiden gemacht hat«, sagte Lavaine.
»Und welche Macht ist das?« fragte Merlin. Als die Zwillinge nicht antworteten, lachte er höhnisch. »Wenigstens wißt ihr, wie man Drosseleier legt. Wie ich vermute, lassen die Christen sich von diesem Trick beeindrucken. Könnt ihr auch Wein in Blut verwandeln und Brot in Fleisch?«
»Wir benutzen unsere Magie und auch die ihre«, gab Dinas zurück. »Wir leben nicht mehr im alten Britannien, sondern in einem neuen Britannien, mit neuen Göttern. Wir verschmelzen ihre Magie mit der alten. Ihr könntet von uns lernen, Lord Merlin.«
Merlin äußerte seine Meinung über diesen guten Rat, indem er ausspie. Dann stelzte er ohne ein weiteres Wort aus dem Raum. Dinas und Lavaine zeigten sich nicht beunruhigt wegen seiner Feindseligkeit. Sie hatten wirklich ein
außergewöhnliches Selbstvertrauen.
Wir folgten Arthur in die große Säulenhalle hinunter, wo wir, wie Merlin vorausgesagt hatte, großtaten, posierten, einander niederschrien und beschwatzten. Anfangs waren es Aelle und Cerdic, die den größten Lärm machten, während Arthur sich immer wieder als Mittler zwischen den beiden betätigte. Aber selbst Arthur konnte nicht verhindern, daß Cerdic sich auf Aelles Kosten an Land bereicherte. Er behielt London und gewann das Themsetal sowie weite, fruchtbare Landstriche nördlich der Themse hinzu. Aelles Königreich schrumpfte um
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