Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Mutter nicht in Gefangenschaft geraten wäre, Derfel, wärt Ihr als Sachse aufgewachsen und dientet jetzt vermutlich in Aelles Heer. Ihr wärt ein Feind. Ihr würdet die Götter der Feinde anbeten, Ihr würdet ihre Träume träumen, und Ihr würdet unser Land begehren. Sie brauchen eine Menge Raum, diese Sachsen.«
Aber wir hatten wenigstens Aelle festgenagelt, und am Tag darauf kamen wir in dem großen Palast am Fluß mit Cerdic zusammen. An jenem Tag schien die Sonne und funkelte auf dem Kanal, wo der Gouverneur von Britannien einst sein Flußboot verankert hatte. Die glitzernden Sonnenstäubchen kaschierten den Schmutz, den Schlamm und den Unrat, die den Kanal jetzt verstopften, doch nichts konnte den Gestank dieser Abwässer überdecken.
Cerdic wollte zunächst eine Ratsversammlung einberufen, und während er diskutierte, kamen wir Britannier in einem Raum zusammen, der über der Flußmauer lag und aufs Wasser hinausging, so daß die Decke, an der sich seltsame Wesen, halb Frau, halb Fisch, tummelten, mit schimmerndem Licht betupft war. Um sicherzustellen, daß man uns nicht belauschte, wurde jede Tür und jedes von unseren Speerkämpfern bewacht. Lancelot war auch erschienen und hatte Dinas und Lavaine mitbringen dürfen. Die drei Männer behaupteten immer noch, ihr Friedensschluß mit Cerdic sei ein kluger Schachzug gewesen, aber Meurig war der einzige, der sie darin bestärkte. Wir anderen waren angesichts ihres mürrischen Trotzes sehr zornig. Arthur hörte sich unsere Proteste ein Weilchen an und unterbrach uns dann mit den Worten, daß man mit Streit über Vergangenes keine Probleme lösen könne. »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte er, »aber wir brauchen noch eine Sicherheit.« Er sah Lancelot an. »Schwört mir«, sagte er, »daß
Ihr Cerdic keine Versprechungen gemacht habt.«
»Ich habe ihm Frieden gebracht«, betonte Lancelot, »und ihm vorgeschlagen, Euch beim Kampf gegen Aelle zu unterstützen. Das ist alles.«
Merlin saß am Fenster über dem Fluß. Er hatte eine der streunenden Palastkatzen auf den Schoß genommen und streichelte sie. »Was hat Cerdic verlangt?« erkundigte er sich freundlich.
»Aelles Unterwerfung.«
»Das ist alles?« fragte Merlin, ohne seine Zweifel zu verbergen.
»Das ist alles«, versicherte Lancelot, »weiter nichts.« Wir alle beobachteten ihn: Arthur, Merlin, Cuneglas, Meurig, Agricola, Sagramor, Galahad, Culhwch und ich. Keiner von uns sagte ein Wort, wir alle beobachteten ihn schweigend. »Er hat wirklich nichts weiter verlangt!« beteuerte Lancelot, aber für mich wirkte er dabei wie ein Kind, das faustdicke Lügen auftischt.
»Wie bemerkenswert«, sagte Merlin gelassen, »daß ein König so geringe Forderungen stellt.« Damit begann er die Katze zu necken, indem er ihre Pfoten mit einem seinen Bartzöpfe kitzelte. »Und was wolltet Ihr?« fragte er, immer noch sehr sanft.
»Arthurs Sieg«, behauptete Lancelot.
»Weil Ihr dachtet, Arthur könne ihn nicht allein erringen?«
fragte Merlin, weiterhin mit der Katze spielend.
»Ich wollte ganz sichergehen«, erwiderte Lancelot. »Ich wollte doch nur helfen!« Suchend sah er sich nach Verbündeten um, fand aber niemanden außer dem jugendlichen Meurig. »Wenn Ihr keinen Frieden mit Cerdic wollt«, fuhr er schmollend fort, »warum kämpft Ihr dann nicht jetzt mit ihm?«
»Weil Ihr, Lord König, meinen Namen benutzt habt, um diesen Waffenstillstand zu besiegeln«, erklärte Arthur ihm geduldig. »Und weil unser Heer jetzt viele Tagesmärsche von zu Hause entfernt ist und seine Männer an unserem Weg lauern. Wenn Ihr keinen Frieden geschlossen hättet«, fuhr er immer noch höflich fort, »wäre die Hälfte seines Heeres jetzt an der Grenze, um Eure Männer zu beobachten, und ich könnte nach Süden marschieren und die andere Hälfte angreifen. Aber so?« Er zuckte die Achseln. »Was wird Cerdic heute von uns verlangen?«
»Land«, antwortete Agricola energisch. »Das ist alles, was die Sachsen wollen. Immer nur Land, Land und noch mehr Land. Die sind nicht eher glücklich, bis sie jedes letzte Zipfelchen Land auf der Welt besitzen, und dann werden sie nach anderen Welten suchen, um deren Land ebenfalls unter den Pflug zu nehmen.«
»Er wird sich mit dem Land zufriedengeben müssen, das er Aelle abgenommen hat«, sagte Arthur. »Von uns wird er keins bekommen.«
»Wir sollten ihm etwas abnehmen«, meldete ich mich zum ersten Mal zu Wort. »Das Land, das er im letzten Jahr gestohlen hat.« Dabei handelte
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