Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
all unsere Gesetze werden vom König bewahrt. Wenn wir uns gegen unseren König auflehnen, lehnen wir uns gegen die Ordnung auf. Wir dürfen gegen andere Könige kämpfen, wir dürfen sie sogar töten, aber nur, wenn sie unseren König und seine gute Ordnung bedrohen. Was immer Ihr oder ich auch tun mögen – den König müssen wir unterstützen.«
Ich wußte, daß er nicht von Tristan und Mark sprach. Er dachte an Mordred, deswegen wagte ich es, jenen unausgesprochenen Gedanken auszusprechen, der während so vieler Jahre so schwer auf Dumnonia gelastet hatte. »Es gibt Menschen, Lord«, sagte ich, »die finden, Ihr solltet der König sein.«
»Nein!« Laut schrie er das Wort in den Wind hinaus.
»Nein!« wiederholte er ein wenig leiser und sah mich an. Ich betrachtete das Schwert auf dem Stein. »Und warum nicht?«
»Weil ich Uther einen Eid geleistet habe.«
»Mordred«, widersprach ich, »taugt nicht zum König. Das wißt Ihr, Lord.«
Er wandte sich um und blickte wieder aufs Meer hinaus.
»Mordred ist unser König, Derfel, mehr brauchen wir nicht zu wissen, Ihr und ich. Er hat unseren Eid. Wir können nicht über ihn richten, aber er wird über uns richten; und wenn Ihr oder ich beschließen, daß ein anderer König sein sollte – wo bliebe die Ordnung? Wenn ein Mann sich unrechtmäßig des Thrones bemächtigt, könnte jeder ihn sich nehmen. Wenn ich ihn mir nähme, warum sollte ihn mir ein anderer dann nicht wieder wegnehmen? Die Ordnung wäre aufgelöst. Es gäbe nur noch das Chaos.«
»Glaubt Ihr etwa, Mordred kümmert sich um Ordnung?«
fragte ich ihn verbittert.
»Ich glaube, daß Mordred noch nicht richtig zum König ausgerufen wurde«, gab Arthur zurück. »Wenn ihm die hohen Pflichten auferlegt werden, wird er sich möglicherweise ändern. Ich glaube zwar eher, daß er sich nicht ändern wird, aber vor allem, Derfel, glaube ich, daß er unser König ist und daß wir ihn ertragen müssen, weil das unsere Pflicht ist, ob es uns nun gefällt oder nicht. Auf der ganzen Welt, Derfel«, sagte er, griff unvermittelt nach Excalibur und zog die Klinge in weitem Bogen den Horizont entlang, »auf der ganzen Welt gibt es nur eine einzige sichere Ordnung, und das ist die Ordnung der Könige. Nicht die der Götter. Die haben sich aus Britannien zurückgezogen. Merlin glaubte sie zurückholen zu können, aber seht Euch Merlin jetzt doch an. Sansum erklärt uns, sein Gott besitze Macht, und das mag sein, aber nicht für mich. Ich sehe nur Könige, und in den Königen konzentrieren sich unsere Eide und unsere Pflichten. Ohne sie wären wir nichts als Wilde, die um einen Platz auf Erden kämpfen.« Er schob Excalibur in die Scheide zurück. »Ich muß die Könige unterstützen, denn ohne sie gäbe es nur noch Chaos. Deswegen habe ich Tristan und Iseult erklärt, daß sie sich dem Gericht stellen müssen.«
»Gericht!« rief ich empört und spie auf die Erde. Arthur funkelte mich böse an. »Sie werden des Diebstahls beschuldigt«, sagte er. »Des Eidbruchs. Der Unzucht.« Bei diesem letzten Wort verzog er den Mund und wandte sich von mir ab, um es aufs Meer hinauszuspucken.
»Aber die beiden lieben sich!« protestierte ich, und als er schwieg, griff ich ihn noch direkter an. »Habt Ihr vor einem Gericht gestanden, Arthur ap Uther, als Ihr einen Eid gebrochen habt? Ich meine nicht den Eid für Ban, sondern den Eid, den Ihr geschworen habt, als Ihr Euch Ceinwyn anverlobtet. Ihr habt einen Eid gebrochen, und niemand hat Euch vor einen Richter gestellt!«
In aufflammender Wut fuhr er zu mir herum, und ein paar Herzschläge lang dachte ich schon, er werde Excalibur ziehen und mich mit der Klinge angreifen; dann jedoch erschauerte er und wurde ganz still. In seinen Augen glitzerten wieder Tränen. Eine lange Zeit sagte er nichts. Schließlich nickte er.
»Ich habe jenen Eid gebrochen, richtig. Aber glaubt ja nicht, daß ich das nicht bereut hätte.«
»Aber Tristan werdet Ihr keinen Eid brechen lassen?«
»Er ist ein Dieb!« fauchte Arthur wütend. »Findet Ihr, wir sollten jahrelange Grenzüberfälle für einen Dieb, der es mit seiner Stiefmutter treibt, riskieren? Könntet Ihr mit den Familien der toten Bauern an unserer Grenze reden und deren Tod im Namen von Tristans Liebe rechtfertigen? Meint Ihr, Frauen und Kinder könnten ruhig sterben, nur weil sich ein Prinz verliebt hat? Ist das Eure Gerechtigkeit?«
»Ich meine, daß Tristan unser Freund ist«, gab ich zurück. Und als er nicht antwortete, spie ich
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