Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
proklamiert worden, obwohl die Zeremonie damals nichts weiter als ein Symbol für seine Königswürde gewesen war und ihm keinerlei Pflichten aufgebürdet hatte. Nun aber stand er an der Schwelle zum Mannesalter und sollte von diesem Tag an nicht mehr nur dem Namen nach König sein. Mit dieser zweiten Ausrufung wäre Arthurs Eid erfüllt. Uthers Macht würde auf Mordred übergehen.
Die Teilnehmer versammelten sich zeitig. Die Festhalle war ausgefegt, mit Stoffbahnen behängt und mit grünen Zweigen geschmückt worden. Fässer voll Met und Töpfe voll Ale wurden auf dem Grasboden aufgebaut, und von den großen Feuern, an denen für das Festmahl Ochsen, Schweine und Wildbret gebraten wurden, stieg weißer Rauch auf. Tätowierte Stammesangehörige aus Isca mischten sich mit den eleganten, Toga tragenden Bürgern von Durnovaria und Corinium, und beide lauschten den weißgekleideten Barden, die eigens komponierte Lieder vortrugen, mit denen sie Mordreds Charakter priesen und glorreiche Zeiten für seine Herrschaft voraussagten. Diesen Barden war doch niemals zu trauen!
Da ich Mordreds Champion war, trug ich als einziger Lord auf dem Hügel die volle Kriegsrüstung. Das war nun nicht mehr jenes schäbige, mehr schlecht als recht geflickte Zeug, das ich in der Schlacht bei London getragen hatte, nein, inzwischen war ich stolzer Besitzer einer neuen, kostspieligeren Rüstung, die meinem hohen Rang entsprach. Ich trug ein prächtiges römisches Panzerhemd, das an Hals, Saum und Ärmeln mit goldenen Ringen besetzt war. An meinen Stiefeln glänzten Bronzestreifen, mit Eisenplättchen besetzte ellbogenlange Handschuhe schützten Unterarme und Finger, und ein prachtvoller Helm aus getriebenem Silber mit Nackenschutz bedeckte meinen Kopf. Der Helm hatte Wangenstücke, die sich vor dem Gesicht schließen ließen, sowie einen goldenen Knauf, an dem als Helmzier eine frisch gebürstete Wolfsrute hing. Ein grüner Mantel um die Schultern, Hywelbane an meiner Seite und ein Schild, der zu Ehren dieses Tages Mordreds roten Drachen statt meinen weißen Stern zeigte, ergänzten meine Rüstung.
Culhwch war aus Isca gekommen. Er umarmte mich
freundschaftlich. »Dies ist eine Farce, Derfel«, grollte er.
»Ein großer, glücklicher Tag, Lord Culhwch«, entgegnete ich, ohne eine Miene zu verziehen.
Er lächelte nicht, sondern blickte sich mißmutig in der erwartungsvollen Menschenmenge um. »Christen!« Er spie aus.
»Es scheinen ziemlich viele von ihnen hierzusein.«
»Ist Merlin da?«
»Er war zu müde«, antwortete ich.
»Er war so vernünftig, nicht herzukommen, meint Ihr wohl«, widersprach Culhwch. »Also, wer leitet die Zeremonie?«
»Bischof Sansum.«
Wieder spie Culhwch aus. Sein Bart war in diesen letzten Monaten grau geworden, und obwohl er noch immer ein Bär von einem Mann war, bewegte er sich mit steifen Gliedern.
»Habt Ihr schon mit Arthur gesprochen?« wollte er wissen.
»Wir reden nur miteinander, wenn’s unbedingt nötig ist«, gab ich ausweichend zurück.
»Er möchte, daß Ihr wieder sein Freund seid«, erklärte mir Culhwch.
»Er springt recht seltsam mit seinen Freunden um«, sagte ich steif.
»Er braucht Freunde.«
»Dann kann er sich freuen, daß er Euch hat«, gab ich zurück und wandte mich um, weil ein Hornruf unser Gespräch unterbrach. Speerkämpfer bahnten sich eine Gasse durch die Menge, indem sie die Menschen behutsam mit ihren Schilden und Speerstangen zurückdrängten. Dann kam durch diesen Korridor ein ganzer Zug von Lords, Beamten und Priestern in gemessenem Tempo auf den Steinkreis zugeschritten. Ich reihte mich auf meinem Platz neben Ceinwyn und meinen Töchtern ein.
Die Versammlung an jenem Tag war eher ein Tribut an Arthur als an Mordred, denn Arthurs Verbündete waren vollzählig erschienen. Cuneglas war aus Powys gekommen und hatte ein Dutzend Lords sowie seinen Edling Prinz Perddel mitgebracht, inzwischen ein hübscher Knabe mit dem runden, ernsten Gesicht des Vaters. Agricola, alt und steif, begleitete König Meurig; beide Herren trugen Togen. Meurigs Vater Tewdric lebte zwar noch, aber der alte König hatte den Thron aufgegeben, sich eine Priestertonsur scheren lassen und sich in ein Kloster im Tal des Wye zurückgezogen, wo er geduldig eine Bibliothek christlicher Lehrbücher zusammentrug und es seinem pedantischen Sohn überließ, Gwent an seiner Statt zu regieren. Byrthig, der seinem Vater als König von Gwynedd nachgefolgt war und inzwischen nur noch zwei Zähne besaß,
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