Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Frieden, uns den Mann namens Ligessac auszuliefern.«
»Ligessac«, gab Cadoc weithin dröhnend zurück, als spräche er nicht zu uns, sondern zu einer Versammlung von Tausenden,
»ist Gottes gesegnetes und geheiligtes Kind. Er hat hier bei uns Zuflucht gesucht, und weder Ihr noch irgendein anderer sogenannter Lord darf in diese Freistätte eindringen.«
Arthur lächelte. »Hier regiert ein König, Bischof, nicht Euer Gott. Nur Cuneglas darf Zuflucht gewähren, und das hat er nicht getan.«
»Mein König, Arthur«, widersprach Cadoc stolz, »ist der König der Könige, und er hat mir befohlen, Euch den Zutritt zu verwehren.«
»Ihr wollt mir Widerstand leisten?« erkundigte sich Arthur mit höflichem Erstaunen in der Stimme.
»Bis in den Tod«, rief Cadoc.
Arthur schüttelte traurig den Kopf. »Ich bin kein Christ, Bischof«, erklärte er freundlich, »aber predigt Ihr nicht, daß
Eure Anderwelt ein Ort reiner Freude ist?« Als Cadoc nicht antwortete, zuckte Arthur die Achseln. »Also tue ich Euch einen Gefallen, wenn ich Euch möglichst schnell dorthin befördere, nicht wahr?« Kaum hatte er die Frage gestellt, da zog er auch schon Excalibur.
Mit seinem Stab vertiefte der Bischof den Strich, den er quer über den staubigen Weg gezogen hatte. »Ich verbiete Euch, diese Grenze zu überschreiten!« rief er laut. »Ich verbiete es im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!«
Dann hob er den Stab und deutete damit auf Arthur. Einen Herzschlag lang hielt er den Stab auf ihn gerichtet, dann ließ er seine Spitze wandern, bis sie auf uns andere zeigte. Ich muß
gestehen, daß mir in diesem Moment ein eisiger Schauer über den Rücken lief. Cadoc war kein Merlin, und sein Gott hatte, wie ich vermutete, nicht so viel Macht wie Merlins Götter, und dennoch erschauerte ich, als der Stab auf mich wies. Meine Angst veranlaßte mich, mein Kettenhemd zu berühren und auf den Weg zu spucken. »Ich werde mich jetzt meinen Gebeten widmen, Arthur«, erklärte Cadoc, »und wenn Ihr weiterleben wollt, solltet Ihr Euch jetzt umwenden und diesen Ort verlassen, denn wenn Ihr an diesem heiligen Kreuz vorübergeht – das schwöre ich Euch beim süßen Blut unseres Herrn Jesus Christus –, werden Eure Seelen qualvoll in der Hölle schmoren. Ihr werdet das ewige Feuer kennenlernen. Ihr werdet verflucht vom Anbeginn der Zeiten bis zu ihrem Ende, und vom Himmelsgewölbe bis auf den tiefsten Grund der Hölle.« Mit diesem mächtigen Fluch spie er noch ein weiteres Mal aus, machte kehrt und ging davon.
Mit dem Saum seines Mantels wischte Arthur den Regen von Excalibur und schob dann sein Schwert in die Scheide zurück.
»Mir scheint, daß wir nicht willkommen sind«, sagte er mit einer gewissen Belustigung. Er wandte sich um und winkte Balin, dem ältesten der anwesenden Kavalleristen. »Ihr nehmt die Reiter«, befahl ihm Arthur, »und schlagt Euch zur anderen Seite der Siedlung durch. Sorgt dafür, daß niemand entflieht. Sobald Ihr an Ort und Stelle seid, werde ich mit Derfel und seinen Männern kommen, um die Häuser zu durchsuchen. Und aufgepaßt!« Er hob die Stimme, damit alle sechzig Mann ihn hören konnten. »Diese Leute leisten Widerstand. Sie werden uns provozieren und bekämpfen, aber wir wollen keinen Streit mit ihnen. Wir wollen einzig und allein Ligessac. Ihr werdet sie nicht bestehlen, und ihr werdet keinen von ihnen unnötig verletzen. Ihr werdet immer daran denken, daß ihr Krieger seid, sie aber nicht. Ihr werdet sie rücksichtsvoll behandeln und ihren Flüchen mit Schweigen begegnen.« Sein Ton war streng, und als er sicher war, daß unsere Männer ihn alle verstanden hatten, lächelte er Balin zu und winkte ihm loszureiten. Die dreißig gewappneten Reiter machten sich auf. Sie verließen den Pfad und galoppierten um den Talrand herum bis zum gegenüberliegenden Hang hinter dem Dorf. Cadoc, der noch zu seiner Kirche unterwegs war, warf einen kurzen Blick zu ihnen hinüber, ließ aber keine Beunruhigung erkennen.
»Ich möchte wissen, woher er wußte, wer ich bin«, sagte Arthur.
»Ihr seid berühmt, Lord«, gab ich zurück. Ich nannte ihn immer noch Lord und würde es natürlich weiterhin tun.
»Mein Name ist vielleicht bekannt, nicht aber mein Gesicht. Nicht hier.« Achselzuckend tat er das Rätsel ab. »War Ligessac schon immer ein Christ?«
»Seit ich ihn kenne. Aber niemals ein guter.«
Er lächelte. »Je älter man wird, desto leichter fällt einem das tugendhafte Leben. Wenigstens stelle
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