Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
haben.«
»Und was sagen wir Mordred?«
»Die Wahrheit natürlich«, antwortete Arthur düster. Seine Rüstung bestand aus dem schlichten Helm und dem einfachen Lederpanzer eines Speerkämpfers, aber selbst diese bescheidenen Dinge wirkten sauber und adrett an ihm. Seine Eitelkeit war nicht so sehr auf Glanz gerichtet wie bei Lancelot, vielmehr legte er besonderen Wert auf Reinlichkeit, und dieser ganze Ausflug in die wilden Hochlande beleidigte irgendwie seinen Sinn für Sauberkeit und Ordnung. Das Wetter machte auch nichts besser, denn es war ein rauher, kalter Sommertag, und der eisige Wind peitschte von Westen her Regen übers Land.
Arthur mochte finsterer Laune sein, unsere Speerkämpfer dagegen waren fröhlich. Sie machten Scherze über die Erstürmung der Festung des mächtigen Königs Cadoc, brüsteten sich mit dem Gold, den Kriegerringen und den Sklaven, die sie bei diesem Angriff erobern würden, und mußten dann über ihre übertriebenen Erwartungen selbst lachen, als wir schließlich den letzten Bergsattel überquerten und ins Tal hinabsehen konnten, in dem Ligessac Zuflucht gefunden hatte. Es war in der Tat ein elender Flecken – ein Meer von Schlamm, in dem ein Dutzend runde Steinhütten eine kleine, rechteckige Steinkirche umstanden. Es gab ein paar armselige Gemüsegärten, einen kleinen, dunklen See, ein paar Steinhürden für die Ziegen der Gemeinde, aber keine Palisade. Das einzige, was dem Tal zur Verteidigung diente, war ein schweres Steinkreuz, in das verschlungene Muster sowie das Bild des Christengottes gemeißelt waren, der in seinem Glanz im Himmel thronte. Das Kreuz, eine wundervolle
Steinmetzarbeit, markierte den Bergsattel, an dem Cadocs Land begann. Arthur ließ unsere Kriegshorde neben diesem Kreuz, in voller Sicht der winzigen Siedlung, die nur ein Dutzend Speerwürfe entfernt lag, haltmachen. »Wir werden nicht widerrechtlich eindringen«, erklärte er gutmütig, »bevor wir Gelegenheit hatten, mit ihnen zu sprechen.« Er stützte seinen Speerschaft neben den Vorderhufen seines Pferdes auf den Boden und wartete.
Etwa ein Dutzend Personen waren auf dem Gelände zu sehen, die aber, sobald sie unser ansichtig wurden, in die Kirche flohen, aus der einen Augenblick später ein gigantischer Mann hervorkam und den Weg zu uns heraufzusteigen begann. Er war ein Riese, so groß wie Merlin, aber mit einer mächtigen Brust und großen, zupackenden Händen. Außerdem war er völlig verdreckt, sein Gesicht ungewaschen und sein braunes Gewand schmutzverkrustet, während seine grauen Haare, nicht weniger schmutzig als sein Gewand, noch nie geschnitten worden zu sein schienen. Sein Bart wucherte wild bis unter seine Taille, und die Haare hinter seiner Tonsur standen in schmutzigwirren Strähnen wie ein dickes graues, frisch geschorenes Vlies nach allen Seiten ab. Sein Gesicht war sonnengebräunt, sein Mund breit, und seine Stirn sprang über zornigen Augen vor. Es war ein eindrucksvolles Gesicht. In der Rechten trug er einen Stab, an seiner linken Hüfte hing ein mächtiges, rostiges Schwert ohne Scheide. Er sah aus, als wäre er früher einmal ein tüchtiger Speerkämpfer gewesen, und ich zweifelte nicht daran, daß er noch immer ein paar recht harte Schläge auszuteilen vermochte. »Ihr seid hier nicht willkommen!« rief er uns zu, als er näher kam. »Es sei denn, Ihr gebt Eure elenden Seelen in Gottes Hand.«
»Unsere Seelen sind bereits in den Händen unserer Götter«, antwortete Arthur liebenswürdig.
»Heiden!« spie uns der starke Mann, in dem ich den berühmten Cadoc vermutete, giftig entgegen. »Ihr kommt in Eisen und Stahl an einen Ort, wo Christi Kinder mit dem Lamm Gottes spielen?«
»Wir kommen in Frieden«, versicherte Arthur.
Der Bischof spuckte einen dicken gelblichen Klumpen Schleim in unsere Richtung. »Ihr seid Arthur ap Uther ap Satan«, behauptete er, »und Eure Seele ist ein dreckiger Lumpen!«
»Und Ihr seid, nehme ich an, Bischof Cadoc«, gab Arthur höflich zurück.
Der Bischof stellte sich neben das Kreuz und kratzte mit dem Ende seines Stabes einen Strich in den staubigen Pfad. »Nur die Gläubigen und Bußfertigen dürfen diese Grenze überschreiten«, erklärte er. »Denn dies ist Gottes geheiligter Boden.«
Ein paar Herzschläge lang starrte Arthur auf das morastige Elend unten im Tal hinab. Dann lächelte er den trotzigen Cadoc würdevoll an. »Ich habe nicht den Wunsch, Euren Gottesboden zu betreten, Bischof«, erklärte er, »aber ich bitte Euch in
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