Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Es würde ein hartes, blutiges Ringen geben, aber solange die knienden Männer ihre Schilde senkrecht und ihre Speere fest eingestemmt hielten und solange wir sie gut beschützten, würde der Schildring halten. Ich erinnerte die Knienden an ihre Ausbildung, erklärte ihnen, daß sie nichts anderes seien als ein Hindernis und daß sie das Töten uns überlassen sollten. »Bel steht uns bei«, versicherte ich ihnen.
»Und Arthur auch«, setzte Issa begeistert hinzu. Denn es war Arthur, der an diesem Tag das Töten übernahm. Wir waren der Köder, er war der Vollstrecker, und Cadocs Männer schluckten den Köder wie ein gieriger Lachs eine Eintagsfliege. Cadoc persönlich leitete den Angriff aus dem Dorf. Er war mit seinem rostigen Schwert bewaffnet und trug einen großen Rundschild mit einem schwarzen Kreuz, unter dem ich jedoch gerade noch die Umrisse des silurischen Fuchses ausmachen konnte. Cadoc war also einmal Speerkämpfer in Gundleus’ Diensten gewesen.
Die Christen griffen nicht als Schildwall an – was ihnen möglicherweise den Sieg eingetragen hätte –, sondern attackierten in der uralten Formation, welche die Römer uns schon vor langer Zeit ausgetrieben hatten. In den alten Zeiten, als die Römer noch neu in Britannien waren, hatten sich angreifende Keltenstämme in einem triumphierenden, heulenden, metbefeuerten Haufen auf sie gestürzt. Derartige Attacken waren fürchterlich anzusehen, für disziplinierte Soldaten aber mühelos abzuwehren, und meine Speerkämpfer waren einmalig diszipliniert.
Ganz zweifellos empfanden sie Furcht. Ich selbst empfand auch Furcht, denn so ein wutheulender Angriff ist ein erschreckender Anblick. Im Kampf gegen undisziplinierte Männer führt er aufgrund des Entsetzens, das er auslöst, zum Erfolg; und hier erlebte ich zum ersten Mal persönlich die uralte britannische Art, Schlachten zu führen. Cadocs Christen stürzten sich voll Fanatismus auf uns und wetteiferten darum, wer wohl der erste wäre, der sich auf unsere Speere warf. Sie kreischten, stießen Flüche aus, und mir schien, als hätte jeder einzelne von ihnen den Wunsch, entweder Märtyrer oder Held zu werden. In diesem wilden Ansturm gab es sogar Frauen, die laut kreischend ihre Holzknüppel und Sicheln schwangen. Selbst Kinder liefen in diesem heulenden Pöbelhaufen mit.
»Bel!« schrie ich laut, als der erste Mann über die Knienden des äußeren Kreises zu springen versuchte und auf meiner Speerspitze starb. Ich spießte ihn auf wie einen Hasenbraten, dann schleuderte ich ihn mitsamt meinem Speer aus unserem Kreis hinaus, damit sein sterbender Körper ein Hindernis für seine Kampfgefährten bildete. Den nächsten Mann tötete Hywelbane, und ich hörte, wie meine Speerkämpfer ihren furchterregenden Schlachtgesang anstimmten, während sie stießen, rissen, hieben und schnitten. Wir waren ja alle so gut, so schnell, und so durch und durch trainiert! Für diesen Schildring hatte es viele Stunden langweiliger Ausbildung bedurft, und obwohl es Jahre her war, daß die meisten von uns tatsächlich in einer Schlacht gekämpft hatten, entdeckten wir, daß unsere alten Instinkte noch immer so wach waren wie damals – und nur der Instinkt und die Erfahrung waren es, die uns an jenem Tag am Leben erhielten. Der Feind war eine kreischende, erdrückende Masse von Fanatikern, die auf unseren Ring eindrangen und die Speere nach uns reckten; doch unser Außenring blieb fest wie ein Fels, und die übrigen Angreifer wurden von dem Wall toter und sterbender Feinde behindert, der vor unseren Schilden immer höher wurde. Während der ersten ein, zwei Minuten, als der Boden um unseren Schildring noch frei war und die Feinde noch ziemlich nahe an uns herangelangen konnten, war der Kampf hektisch; sobald wir jedoch vom Ring der Toten und Sterbenden geschützt wurden, versuchten nur noch die tapfersten Feinde zu uns durchzudringen, so daß wir fünfzehn Mann im inneren Ring uns die Ziele in Ruhe aussuchen und sie zu Speer-und Schwerkampfübungen benutzen konnten. Wir kämpften flink, wir feuerten einander an, und wir töteten ohne Gnade. Cadoc selbst griff schon früh in den Kampf ein. Er schwang sein riesiges, rostiges Schwert so wuchtig, daß es regelrecht durch die Luft pfiff. Er kannte sich aus im Kriegsgeschäft, also versuchte er einen der knienden Männer niederzuschlagen; denn er wußte, sobald der äußere Ring durchbrochen war, würden wir übrigen sehr schnell sterben. Ich parierte den mächtigen Hieb mit Hywelbane,
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