Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
Ich kitzelte dem Bischof das frisch rasierte Kinn mit Hywelbane.
»Er wußte, daß wir kommen«, berichtete ich Arthur. »Sie hatten vor, uns hier zu töten.«
»Das ist ihm nicht gelungen«, sagte Arthur und wandte hastig den Kopf ab, um einem Batzen bischöflichem Speichel auszuweichen. »Steckt Euer Schwert weg«, befahl er mir.
»Ihr wollt ihn nicht töten?« fragte ich ihn verwundert.
»Seine Strafe besteht darin, hier zu leben statt im Himmel«, bestimmte Arthur.
Wir nahmen Ligessac und marschierten davon, doch keiner von uns dachte richtig über das nach, was Ligessac mir in der Kirche verraten hatte. Seit einer Woche hätten sie gewußt, daß
wir kommen, hatte er gesagt; doch vor einer Woche waren wir noch in Dumnonia gewesen, nicht in Powys, und das bedeutete, daß irgend jemand in Dumnonia sie vor uns gewarnt haben mußte. Keiner von uns kam auf den Gedanken, jemanden in Dumnonia mit diesem schlammigen Massaker in den öden Bergen in Verbindung zu bringen, aber dieser Hinterhalt war geplant.
Bis heute gibt es natürlich Christen, die eine ganz andere Geschichte erzählen. Sie behaupten, Arthur habe Cadocs Refugium überfallen, die Frauen geschändet, die Männer getötet und alle Schätze in Cadocs Besitz gestohlen; ich aber hatte keine einzige Vergewaltigung gesehen, wir haben nur jene getötet, die uns töten wollten, und einen Schatz, den wir hätten stehlen können, habe ich nicht gefunden. Und selbst wenn es einen gegeben hätte, so hätte Arthur ihn nicht angerührt. Es sollte zwar eine Zeit kommen, und die lag in nicht allzu ferner Zukunft, da ich zusehen mußte, wie Arthur mutwillig tötete, doch jene Toten sollten allesamt Heiden sein. Dennoch beharrten die Christen darauf, daß er ihr Feind sei, und die Geschichte von Cadocs Niederlage verstärkte ihren Haß auf ihn noch. Cadoc wurde zum lebenden Heiligen erhoben, und zwar ungefähr zur selben Zeit, da die Christen Arthur als Feind Gottes zu bezeichnen begannen. Und diese böse Bezeichnung sollte ihn bis ans Ende seiner Tage verfolgen.
Sein Verbrechen bestand natürlich nicht darin, in Cadocs Tal ein paar Christenköpfe einzuschlagen, sondern darin, daß er während seiner Regentschaft in Dumnonia das Heidentum duldete. Den fanatischeren Christen ging nie auf, daß Arthur selbst Heide war und also die Christen duldete – sie verurteilten ihn, weil er die Macht hatte, das Heidentum auszurotten, und es nicht tat, und diese Sünde machte ihn zum Feind Gottes. Außerdem erinnerten sie sich natürlich daran, daß er Uthers Anordnung, die Kirche von erzwungenen Darlehen auszunehmen, widerrufen hatte.
Nicht alle Christen haßten ihn. Mindestens zwanzig jener Speerkämpfer, die mit uns in Cadocs Tal fochten, waren selber Christen. Galahad liebte ihn, und es gab viele andere, wie etwa Bischof Emrys, die ihn insgeheim unterstützten; aber die Kirche hörte in jenen unruhigen Zeiten gegen Ende der ersten fünfhundert Jahre von Christi Herrschaft auf Erden nicht auf diese stillen, anständigen Männer, sondern nur auf die Fanatiker, die behaupteten, wenn Christus wiederkehren solle, müsse die Welt von den Heiden befreit werden. Heute weiß ich natürlich, daß der Glaube an unseren Herrn Jesus Christus der einzig wahre Glaube ist und daß im strahlenden Licht seiner Wahrheit kein anderer Glaube bestehen kann; aber ich fand –
und finde – es dennoch seltsam, daß Arthur, der gerechteste und gesetzesgetreueste aller Herrscher, als Feind Gottes bezeichnet wurde.
Wie auch immer. Wir machten Cadoc Kopfschmerzen, legten Ligessac ein Halsband aus seinem eigenen Bart um und verließen den unwirklichen Ort.
Arthur und ich trennten uns an dem Steinkreuz auf der Paßhöhe über Cadocs Tal. Er wollte Ligessac nach Norden bringen und sich anschließend gen Osten wenden, um die guten Straßen zu nehmen, die nach Dumnonia zurückführten –
während ich beschlossen hatte, tiefer nach Siluria hineinzureisen, um nach meiner Mutter zu suchen. Issa sowie vier weitere Speerkämpfer nahm ich mit, die übrigen ließ ich mit Arthur heimwärts marschieren.
Wir sechs schlugen einen Kreis um Cadocs Tal, in dem sich eine klägliche Schar verletzter und blutbesudelter Christen versammelt hatte, um Gebete für ihre Toten anzustimmen, und marschierten dann über die hohen, kahlen Hügel und wieder bergabwärts in tiefe, grüne Täler hinein, die zum Severn-Meer führten. Ich wußte nicht, wo Erce lebte, vermutete aber, daß sie nicht schwer zu finden sein würde; denn
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