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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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groß und stark. Und Tanaburs hat ihn verflucht.« Sie schniefte, flüsterte dann sekundenlang ein Wiegenlied, bevor sie wieder von meinem Vater sprach: daß sein Volk übers Meer nach Britannien gekommen sei und daß er sein Schwert benutzt habe, um sich ein schönes Haus zu bauen. Soviel ich verstand, war Erce Dienerin in jenem Haus gewesen, und der Sachsenlord hatte sie zu sich ins Lager geholt und mir das Leben geschenkt – das Leben, das mir in der Todesgrube zu nehmen Tanaburs nicht gelungen war. »Er war ein wunderbarer Mann«, sagte Erce von meinem Vater, »ein wunderbarer, schöner Mann! Alle haben ihn gefürchtet, aber zu mir war er immer gut. Wir haben so viel zusammen gelacht.«
    »Wie war sein Name?« fragte ich sie. Ich glaube, ich kannte die Antwort, bevor sie sie mir gab.
    »Aelle«, sagte sie flüsternd, »der wunderbare, schöne Aelle.«
    Aelle. Der Rauch wirbelte in meinem Kopf, und mein Verstand war vorübergehend genauso verwirrt wie der Geist meiner Mutter. Aelle? Ich sollte Aelles Sohn sein?
    »Aelle«, wiederholte Erce verträumt, »der wunderbare, schöne Aelle.«
    Da ich keine weiteren Fragen hatte, zwang ich mich, vor meiner Mutter niederzuknien und sie zu umarmen. Ich küßte sie auf beide Wangen und drückte sie an mich, als könnte ich ihr ein wenig von dem Leben zurückgeben, das sie mir geschenkt hatte; und obwohl sie sich meiner Umarmung überließ, wollte sie immer noch nicht akzeptieren, daß ich ihr Sohn war. Ich holte mir Läuse bei ihr.
    Ich zog Linna mit mir den Pfad hinab und erfuhr, daß sie mit einem Fischer im Dorf verheiratet war und sechs Kinder hatte. Ich gab ihr Gold, mehr Gold, glaube ich, als sie jemals zu sehen erwartet hatte, und wahrscheinlich auch mehr Gold, als sie jemals auf Erden vermutet hätte. Ungläubig starrte sie die kleinen Barren an.
    »Ist unsere Mutter immer noch Sklavin?« fragte ich sie.
    »Das sind wir alle«, antwortete sie, und ihre Geste umfaßte das ganze elende kleine Dorf.
    »Mit dem hier könnt ihr euch allen die Freiheit erkaufen.«
    Dabei zeigte ich auf das Gold. »Falls ihr das wollt.«
    Sie zuckte die Achseln. Ich bezweifelte, daß ihr Leben in Freiheit anders aussehen würde als das, was sie gewohnt war. Ich hätte ihren Lord aufsuchen und ihnen die Freiheit selbst erkaufen können, aber der lebte zweifellos in weiter Ferne, und das Gold würde – klug ausgegeben – ihr schweres Leben ein wenig erleichtern, ob sie nun Sklaven blieben oder nicht. Eines Tages, nahm ich mir vor, würde ich zurückkommen und versuchen, mehr für sie zu tun.
    »Kümmert Euch um unsere Mutter«, bat ich Linna.
    »Das werde ich tun, Lord«, antwortete sie gehorsam. Aber sie glaubte mir, denke ich, immer noch nicht.
    »Man nennt seinen eigenen Bruder nicht Lord«, ermahnte ich sie, aber sie ließ sich nicht davon abbringen.
    Danach verließ ich sie und ging zur Küste hinunter, wo meine Männer mit dem Gepäck warteten. »Wir gehen nach Hause«, sagte ich. Es war immer noch Vormittag, und wir hatten einen langen Tagesmarsch vor uns. Den Rückmarsch in die Heimat.
    Nach Hause, zu Ceinwyn. Nach Hause, zu meinen Töchtern, die von einem britischen Königshaus abstammten und dem königlichen Blut der sächsischen Feinde. Denn ich war Aelles Sohn. Ich stand auf einem grünen Hügel über dem Meer und dachte über die seltsamen Pfade des Schicksals nach, vermochte aber keinen Sinn darin zu finden. Ich war Aelles Sohn, aber was machte das für einen Unterschied? Es erklärte nichts, und es erlegte mir keine Verpflichtungen auf. Das Schicksal ist unerbittlich. Ich war auf dem Weg nach Hause.

    E s war Issa, der den Rauch als erster entdeckte. Er hatte schon immer Augen wie ein Falke gehabt, und während ich an jenem Tag auf dem Hügel stand und versuchte, Sinn in die Enthüllungen meiner Mutter zu bringen, erspähte Issa den Rauch hinter dem Meer. »Lord?« sagte er, aber ich reagierte nicht gleich. Ich war noch immer benommen von dem, was ich erfahren hatte. Ich sollte meinen Vater töten? Und dieser Vater war Aelle? »Lord!« sagte Issa eindringlicher, um mich aus meinen Gedanken zu reißen. »Seht doch, Lord! Rauch!«
    Er zeigte südwärts nach Dumnonia, und anfangs dachte ich, das Weiße sei lediglich ein heller Fleck in den Regenwolken; aber Issa war sich seiner Sache sicher, und zwei weitere Speerkämpfer bestätigten mir, daß das, was wir da sahen, Rauch sei und nicht etwa Wolken oder Regen. »Da ist noch mehr, Lord«, sagte einer von ihnen und deutete weiter

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