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Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst

Titel: Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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einen roten Mantel gehüllten Rücken. Die Christusklinge hing an seiner Seite, und seine Beine steckten in hohen, roten Lederstiefeln. Gefolgt wurde er von seiner Sachsengarde, allesamt riesige Kerls in silbernem Kettenhemd, bewaffnet mit breiten Streitäxten, in denen sich die tanzenden Flammen spiegelten. Morgan konnte ich nirgends entdecken, aber ein Chor ihrer weißgekleideten frommen Frauen versuchte vergebens, die Klagen und Schreie der erregten Menge mit ihrem Gesang zu übertönen. Einer der Speerkämpfer trug einen Pfosten und steckte ihn in ein Loch, das neben dem heiligen Dornbusch gegraben worden war. Einen Augenblick fürchtete ich, daß wir wieder Zeuge werden würden, wie ein armer Heide an diesem Pfosten verbrannt wurde, und spie aus, um das Böse abzuwehren. Das Opfer war offenbar in der Sänfte hereingebracht worden, denn die Männer, die sie trugen, setzten sie neben dem heiligen Dornbusch ab und machten sich sodann daran, ihren Gefangenen an den Pfosten zu fesseln. Doch als sie zurücktraten und wir endlich richtig sehen konnten, wurde mir klar, daß es sich gar nicht um einen Gefangenen handelte, und ganz gewiß nicht um eine Verbrennung. Ja, es war nicht einmal ein Heide, der da an den Pfosten gefesselt war, sondern ein Christ, und wir würden nicht Zeugen eines Todes werden, sondern einer Vermählung.
    Ich dachte sofort an Nimues seltsame Prophezeiung. Die Toten werden sich vermählen.
    Lancelot war der Bräutigam und nahm jetzt neben seiner Braut Aufstellung, die an den Pfosten gefesselt war. Es war eine Königin, die ehemalige Prinzessin von Powys, die zunächst Prinzessin von Dumnonia und anschließend Königin von Siluria geworden war. Es war Norwenna, Großkönig Uthers Schwiegertochter, Mordreds Mutter und bereits seit vierzehn Jahren tot. All die Jahre hatte sie in ihrem Grab geruht, nun aber hatte man sie ausgegraben und ihre sterblichen Überreste an den Pfosten neben dem mit Weihegeschenken behängten heiligen Dornbusch gefesselt.
    Von Entsetzen gelähmt, starrte ich auf die Szene hinab; dann machte ich das Zeichen gegen das Böse und strich über das Eisen meines Kettenhemds. Issa berührte meinen Arm, als wollte er sich vergewissern, daß er sich nicht in den Fängen eines unvorstellbaren Alptraums befand.
    Die tote Königin war inzwischen kaum mehr als ein Skelett. Man hatte ihr einen weißen Schal um die Schultern gelegt, aber der Schal konnte die grausigen Fetzen gelblicher Haut und die dicken Batzen weißen Fleisches nicht verbergen, die noch an ihren Knochen hingen. Ihr Schädel, der nach vorn über einen der Stricke fiel, die sie an den Pfosten fesselten, war zur Hälfte von gespannter Haut bedeckt, die Kinnlade hing lose in ihren Scharnieren, während die Augen nur noch schwarze Höhlen in der vom Feuer beleuchteten Totenmaske ihres Gesichtes waren. Einer der Wachen hatte ihr einen Kranz aus Mohnblumen auf den Schädel gesetzt, unter dem feuchte Haarsträhnen auf den Schal fielen.
    »Was geht da vor?« fragte mich Issa mit leiser Stimme.
    »Lancelot fordert Dumnonia«, antwortete ich flüsternd, »und indem er sich mit Norwenna vermählt, heiratet er in Dumnonias königliche Familie ein.« Eine andere Erklärung konnte es nicht geben. Lancelot stahl Dumnonias Thron, und diese schauerliche Zeremonie inmitten der riesigen Feuer würde ihm den Hauch einer Berechtigung verleihen. Er vermählte sich mit der Toten, um sich zu Uthers Erben zu machen.
    Als Sansum mit einer Geste Ruhe forderte, schrien die Mönche mit den Geißeln auf die erregte Menge ein, bis diese sich allmählich beruhigte. Hier und da heulte noch eine Frau auf, woraufhin ein unruhiger Schauer die Menge durchlief, aber schließlich trat Ruhe ein. Die Gesänge des Frauenchors verstummten, während Sansum beide Arme hob und zum Allmächtigen Gott betete, auf daß dieser die Vereinigung eines Mannes und einer Frau segne, dieses Königs und seiner Königin. Dann befahl er Lancelot, die Hand seiner Braut zu ergreifen. Gehorsam streckte Lancelot seine behandschuhte Rechte aus und hob die vergilbte Knochenhand. Da die Wangenstücke seines Helms offenstanden, konnte ich sehen, daß er grinste. Als die Menge vor Freude jubelte, mußte ich an Tewdrics Worte über Zeichen und Omen denken und vermutete, daß die Christen in dieser unheiligen Vermählung den Beweis sahen, daß die Wiederkehr ihres Gottes unmittelbar bevorstand.
    »Bei der Macht, die mir der Heilige Vater gab, und bei der Gnade, die mir der Heilige Geist

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