Artus-Chroniken 2. Der Schattenfürst
hat.«
Ich ergriff Morgans Hände, die verbrannte und die gesunde, und hob sie an meine Lippen. »Für die Taten dieser Nacht, Lady«, sagte ich, »stehe ich in Eurer Schuld.«
»Geht, ihr Narren!« befahl sie uns. »Und beeilt euch!« Wir liefen durch den rückwärtigen Teil des Heiligtums, vorbei an Vorratshäusern, Sklavenhütten und Kornspeichern und dann durch ein Weidentor bis dorthin, wo die Fischer ihre Reetpunten liegen hatten. Wir nahmen uns zwei der kleinen Boote und benutzten die Speerschäfte zum Staken. Dabei mußte ich an den längst vergangenen Tag von Norwennas Tod denken, als Nimue und ich auf genau dieselbe Weise aus Ynys Wydryn geflohen waren. Damals wie heute nahmen wir Richtung auf Ermids Halle, und damals wie heute waren wir Flüchtlinge in einem vom Feind überrannten Land. Nimue wußte nur wenig von dem, was in Dumnonia
geschehen war. Lancelot sei gekommen und habe sich selbst zum König ernannt, berichtete sie, doch über Mordred konnte sie nur dasselbe sagen, was Morgan mir berichtet hatte: daß der König auf der Jagd getötet worden sei. Sie erzählte uns, daß
Speerkämpfer auf den Tor gekommen seien und sie als Gefangene in den Schrein hinuntergebracht hätten, wo Morgan sie dann eingesperrt habe. Später habe sie dann gehört, wie eine Meute von Christen den Tor erklommen, alle Menschen, die sie dort fanden, umgebracht, die Hütten niedergerissen und mit dem Holz eine Kirche zu bauen begonnen hätten.
»Dann hat Morgan dir wirklich das Leben gerettet«, stellte ich fest.
»Sie braucht meine Kenntnisse«, behauptete Nimue. »Wie soll sie sonst erfahren, was sie mit dem Kessel machen muß?
Deswegen sind Dinas und Lavaine zu deiner Halle geritten, Derfel. Um Merlin zu holen.« Sie spie ins Wasser. »Es ist genau so, wie ich es vorausgesagt habe«, fuhr sie fort. »Sie haben die Macht des Kessels entfesselt, und nun wissen sie nicht, wie sie seine Macht unter Kontrolle bringen sollen. Zwei Könige sind nach Cadarn gekommen. Der eine war Mordred, der andere Lancelot. Heute nachmittag ist er hinaufgestiegen und hat sich auf den Stein gestellt. Und heute abend werden die Toten vermählt.«
»Und außerdem hast du gesagt«, erinnerte ich sie voll Bitterkeit, »daß ein Schwert an die Kehle eines Kindes gelegt wird.« Damit stieß ich meinen Speer voll verzweifelter Hast ins seichte Wasser des Moorsees, um möglichst schnell Ermids Halle zu erreichen. Wo meine Kinder waren. Wo Ceinwyn war. Und wohin die silurischen Druiden mit ihren Speerkämpfern vor knapp drei Stunden aufgebrochen waren.
Flammen beleuchteten unseren Heimweg. Nicht die Flammen, die Lancelots Vermählung mit der Toten illuminiert hatten, sondern andere Flammen, die rot und hoch aus Ermids Halle schlugen. Wir hatten den See halb überquert, als das Feuer hoch aufloderte und der langgezogene Widerschein auf dem schwarzen Wasser zitterte.
Ich betete zu Gofannon, zu Lleullaw, zu Bel, zu Cernunnos, zu Taranis, zu allen Göttern, wo immer sie auch sein mochten, daß wenigstens einer von ihnen sich aus dem Reich der Sterne herabneigen und meine Familie retten möge. Immer höher schlugen die Flammen und spien Funken von brennendem Reet in den Rauch hinaus, der ostwärts über das arme Dumnonia dahintrieb.
Nachdem Nimue ihren Bericht beendet hatte, fuhren wir schweigend weiter. Issa hatte Tränen in den Augen. Er machte sich Sorgen um Scarach, die Irin, die er geheiratet hatte, und fragte sich wie ich, was aus den Speerkämpfern geworden war, die wir zum Schutz der Halle zurückgelassen hatten. Es waren doch sicher genügend Männer gewesen, um Dinas’ und Lavaines Angreifer aufzuhalten! Die Flammen jedoch berichteten etwas anderes, und so stießen wir die Speerschäfte ins Wasser, um die Punten schneller voranzutreiben. Als wir näher kamen, hörten wir die Schreie. Wir waren nur sechs Speerkämpfer, aber ich zögerte weder, noch machte ich den Versuch einer Annäherung auf Umwegen. Ich lenkte die Punten direkt in den baumüberschatteten Bachlauf neben der Palisade hinein. Dort, direkt neben Dians kleinem Coracle, das ihr Merlins Diener Gwlyddyn angefertigt hatte, sprangen wir an Land.
Später erst setzte ich das Verwirrspiel jener Nacht zusammen.
Gwilym, der Anführer der Speerkämpfer, die
zurückgeblieben waren, während ich mit Arthur nach Norden marschierte, hatte fern im Osten den Rauch gesehen und vermutet, daß sich dort Ärger zusammenbraute. Er hatte all seine Männer alarmiert und dann mit Ceinwyn beraten,
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