Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Meiner Mutter baute ich ein Haus an Silurias Küste, inzwischen aber war sie so verrückt geworden, daß sie nicht wußte, was geschah, und immer wieder versuchte, zu ihrer elenden Treibholzhütte auf dem Felsen über dem Meer zurückzukehren. Sie starb bei einer der winterlichen Epidemien, und wie ich Aelle versprochen hatte, begrub ich sie wie eine Sächsin mit den Füßen in Richtung Norden. Dumnonia ging zugrunde, und ich vermochte seinen Verfall anscheinend nicht aufzuhalten, denn Mordred besaß gerade eben genug Macht, um mich zu umgehen; doch während Ceinwyn und ich immer mehr Zeit in Isca verbrachten, versuchte Issa Recht und Ordnung zu bewahren, so gut es ging. Wie viele schöne Erinnerungen habe ich an Isca! Erinnerungen an sonnige Tage, an denen Taliesin Wiegenlieder sang und Guinevere sich liebevoll über mein Glück lustig machte, während ich Arthurbach und Seren in einem umgekehrten Schild über den Rasen zog. Arthur gesellte sich bei unseren Spielen zu uns, denn er hatte Kinder stets geliebt, und manchmal war auch Galahad dabei, denn er hatte sich Arthur und Guinevere in ihrem komfortablen Exil angeschlossen.
Galahad hatte sich noch immer nicht vermählt, aber ein Kind hatte er inzwischen dennoch: seinen Neffen Peredur, Lancelots Sohn, den er tränenüberströmt zwischen den Gefallenen von Mynydd Baddon gefunden hatte. Als Peredur heranwuchs, wurde er seinem Vater immer ähnlicher; er hatte die gleiche dunkle Haut, das gleiche schmale, hübsche Gesicht und das gleiche pechschwarze Haar; in seinem Charakter glich er jedoch Galahad, nicht Lancelot. Er war ein intelligenter, nachdenklicher und ernsthafter Knabe, der sich bemühte, ein guter Christ zu sein. Ich weiß nicht, wieviel er über das Leben seines Vaters wußte, doch Peredur hatte immer ein wenig Angst vor Arthur und Guinevere, und sie fanden ihn, glaube ich, etwas beunruhigend. Das war nicht seine Schuld, sondern rührte daher, daß sein Gesicht sie an das erinnerte, was wir alle lieber vergessen wollten, und so waren sie beide dankbar, als Peredur mit zwölf Jahren nach Gwent an Meurigs Hof geschickt wurde, um dort zum Krieger erzogen zu werden. Er war ein guter Junge, nach seiner Abreise jedoch war es, als sei ein Schatten von Isca gewichen. In späteren Jahren, lange nach dem Ende von Arthurs Geschichte, lernte ich Peredur näher kennen und mehr schätzen als viele andere Männer, die ich kannte.
Peredur mag Arthur beunruhigt haben, davon abgesehen gab es jedoch kaum noch andere Schatten, die ihn beunruhigen konnten. Wenn die Menschen in diesen dunklen Zeiten zurückdenken und sich erinnern, was sie verloren, als Arthur fortging, sprechen sie gewöhnlich von Dumnonia, andere jedoch trauern auch um Siluria, denn in jenen Jahren schenkte er jenem ungeschützten Königreich Recht und Frieden. Es gab immer noch Seuchen, es gab immer noch Armut, und nur weil Arthur regierte, hörten die Menschen nicht auf, sich zu betrinken und einander zu töten; aber die Witwen wußten, daß seine Gerichte ihnen Entschädigung zusprechen würden, und die Hungernden wußten, daß
seine Kornspeicher Nahrung genug für einen Winter bargen. Kein Feind drang über Silurias Grenze vor, und obwohl sich die Christenreligion sehr schnell durch die Täler verbreitete, duldete Arthur nicht, daß die christlichen Priester die heidnischen Schreine entweihten, genauso wie er verhinderte, daß die Heiden die Kirchen der Christen angriffen. In jenen Jahren machte er Siluria zu dem, was er sich eigentlich von ganz Britannien erträumt hatte: einen sicheren Hafen. Keine Kinder wurden versklavt, keine Ernten wurden auf dem Halm verbrannt, und keine Kriegsherren verwüsteten die Gehöfte.
Doch hinter den Grenzen dieses sicheren Hafens lauerten immer noch finstere Dinge. Dazu gehörte auch Merlins Unauffindbarkeit. Jahr um Jahr verging, und da niemand etwas von ihm gehört hatte, vermuteten die Leute eben, der Druide müsse gestorben sein, denn zweifellos konnte kein Mensch, nicht einmal Merlin, so lange leben. Meurig war ein nörgelnder, reizbarer Nachbar, der ständig höhere Abgaben oder die Vertreibung der Druiden forderte, die in den Tälern von Siluria lebten, obwohl Tewdric, sein Vater, seinen mäßigenden Einfluß ausübte, wenn man ihn aus seinem selbst auferlegten Stadium des Fast-Verhungerns herausreißen konnte. Wie es schien, herrschte allein in Siluria das Glück, so daß Ceinwyn und ich allmählich glaubten, den Rest unserer Tage in Isca verbringen zu können.
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