Artus-Chroniken 3. Arthurs letzter Schwur
Herr!«
»Und nun sitzt der Heilige zur Rechten Gottes«, sagte Meurig und bekreuzigte sich, »wo ich mich eines Tages zu ihm gesellen werde. Probiert doch mal eine Auster, Lord!« Er schob mir eine Silberschüssel zu; dann schenkte er sich selber Wein ein. Er war ein blasser junger Mann mit vorquellenden Augen, schütterem Bart und einer aufreizend pedantischen Art. Wie sein Vater kopierte er die Manieren der Römer. Auf seinen dünnen Haaren trug er einen Kranz aus Bronze, war in eine Toga gekleidet und speiste liegend auf einem Ruhepolster. Diese Polster waren furchtbar unbequem. Er hatte eine traurige Prinzessin von Rheged geheiratet, eine richtige Kuh, die als Heidin in Gwent angekommen war und schon bald männliche Zwillinge geboren hatte; anschließend hatte man ihr das Christentum in die starrköpfige Seele gepeitscht. Sie ließ
sich flüchtig in dem matt beleuchteten Speiseraum blicken, beäugte uns, sagte und aß nichts und verschwand dann ebenso unauffällig, wie sie erschienen war.
»Habt Ihr Nachrichten von Mordred?« erkundigte sich Meurig nach dem kurzen Besuch seiner Gemahlin.
»Nichts Neues, Lord König«, antwortete Galahad. »Er wird von Clovis belagert, doch ob er noch lebt oder nicht, ist uns nicht bekannt.«
»Ich habe Nachrichten erhalten«, sagte Meurig, erfreut darüber, daß er sie vor uns bekommen hatte. »Gestern kam ein Händler mit Neuigkeiten aus Broceliande und berichtete uns, daß Mordred dem Tode nahe sei. Seine Wunde schwärt.« Mit einem Elfenbeinstäbchen stocherte der König in seinen Zähnen. »Das muß Gottes Strafe sein, Prinz Galahad, Gottes Strafe.«
»Gelobt sei sein Name«, mischte sich Bischof Lladarn ein. Der Bart des Bischofs war so lang, daß er unter seinem Liegepolster verschwand. Er benutzte den Bart ständig als Handtuch und übertrug das Fett von seinen Händen in die langen, schmutzverkrusteten Strähnen.
»Diese Gerüchte haben wir auch schon gehört, Lord König«, sagte ich.
Meurig zuckte die Achseln. »Der Händler schien ziemlich sicher zu sein«, entgegnete er und kippte sich eine Auster in den Hals. »Wenn Mordred also nicht schon tot ist, wird er es vermutlich sehr bald sein, und zwar, ohne einen Erben zu hinterlassen!« fuhr er dann fort.
»Richtig«, sagte Galahad.
»Und Perddel von Powys hat ebenfalls keine Kinder«, fuhr Meurig fort.
»Perddel ist unvermählt, Lord König«, wandte ich ein.
»Aber sieht er sich nach einer Gemahlin um?« fragte uns Meurig.
»Es wird gemunkelt, daß er eine Prinzessin von Kernow heiraten wird«, antwortete ich, »und einige der irischen Könige haben ihm ebenfalls Töchter angeboten. Doch seine Mutter wünscht, daß er noch ein, zwei Jahre wartet.«
»Er wird von seiner Mutter gegängelt, nicht wahr? Kein Wunder, daß
er ein Schwächling ist«, sagte Meurig mit seiner nörgelnden, hohen Stimme. »Ein Schwächling. Wie ich hörte, wimmelt es in den Westhügeln von Powys von Gesetzlosen.«
»Das habe ich auch gehört, Lord König«, sagte ich. Seit Cuneglas’
Tod wurden die Berge am Irischen Meer von herrenlosen Männern heimgesucht, und Arthurs Feldzug in Powys, Gwynedd und Lleyn hatte ihre Zahl nur noch vergrößert. Einige von diesen Flüchtlingen waren Speerkämpfer von Dwrnachs Blutschilden und hätten sich, zusammen mit den unzufriedenen Männern aus Powys, zu einer neuen Gefahr für Perddels Thron entwickeln können, doch bisher waren sie kaum mehr als eine lästige Plage. Sie raubten Rinder und Korn, schnappten sich Kinder als Sklaven und zogen sich dann, um der Vergeltung zu entgehen, wieder in ihre Bergfestungen zurück.
»Und Arthur?« wollte Meurig wissen. »Wie ging es ihm bei Eurem Aufbruch?«
»Nicht besonders gut, Lord König«, antwortete Galahad. »Er wäre gerne mitgekommen, aber leider litt er am Winterfieber.«
»Doch wohl nichts Ernstes?« erkundigte sich Meurig mit einer Miene, die darauf schließen ließ, daß er inständig hoffte, Arthurs Erkältung würde sich als tödlich erweisen. »Hoffentlich nicht«, ergänzte er hastig,
»aber er ist schließlich alt, und die Alten erliegen auch Geringfügigkeiten, die ein junger Mann einfach abschüttelt.«
»Ich halte Arthur nicht für alt«, widersprach ich.
»Aber er muß fast fünfzig sein!« erklärte Meurig ungehalten.
»Erst in ein oder zwei Jahren«, sagte ich.
»Aber das ist alt«, behauptete Meurig. »Alt.« Dann schwieg er, während ich mich in dem Raum umsah, der von brennenden Dochten in ölgefüllten Bronzeschalen
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